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  • Brief an den Therapeuten 18.10.2021

    Brief an den Therapeuten 18.10.2021

    Lieber Herr Therapeut,

    in den letzten Tagen konnte ich ein paar Dinge für mich sortieren und es würde mir schwer fallen diese Dinge auszusprechen, deswegen schreibe ich Ihnen erneut einen Brief.

    Wenn ich das Folgende sage, bin ich mir darüber im Klaren, dass es sich dabei um einen Wunsch handelt, der sich nicht erfüllen lässt. Ich glaube aber, dass es für mich wichtig ist, es Ihnen zu sagen, um das Thema für mich abzuschließen zu können.

    Ich hatte in der letzten Sitzung gesagt, dass die therapeutische Beziehung für mich in keine Kategorie passt und dass es mir deswegen schwer fällt, diese einzusortieren. Das hat vor allem auch damit zu tun, dass ich für mich viele Dinge durcheinander geworfen hatte, die ich jetzt versucht habe, wieder auseinander zu dividieren. Vor allen Dingen hatte ich auch Privatheit mit Intimität verwechselt und auch Sympathie mit dem Wunsch eine Art von persönlicher Beziehungen anzustreben, so als wäre das eine zwingende Folge aus dem anderen.

    Ich weiß jetzt, dass es nicht notwendig ist, jemandem zu vertrauen – Nein falsch! – Dass ich einen Menschen nicht zwingend mögen muss, um ihm vertrauen zu können, was aber nichts daran ändert, dass ich Sie mag und mir wünschen würde, mit Ihnen eine private Beziehung zu pflegen und jetzt wo ich schon einfach hier alleine bin, fällt es mir schwer, das so zu formulieren und der Gedanke, es vor Ihnen auszusprechen, erscheint mir absolut absurd.

    Sie müssen jetzt aber sicherlich keine Bedenken haben, dass ich Sie stalken werde – das lösche ich dann später – Ohne Sie privat zu kennen, habe ich zumindest eine Ahnung davon, dass wir bestimmte Gemeinsamkeiten haben und ich gerne mit Ihnen – beispielsweise – ins Theater gehen oder andere kulturelle Veranstaltungen besuchen würde, aber das wird sich so nicht realisieren.

    Denn die therapeutische Beziehung, die ich zu Ihnen habe, ist eine professionelle Beziehungen und keine private. Diese Beziehungen ist nicht Teil meiner privat gelebten Gegenwart, auch wenn ich mir das wünsche.

    Ich vertraue Ihnen und Ihrer fachlichen Kompetenz als Therapeut, aber ich vertraue Ihnen nicht als Mensch. Für die therapeutische Beziehung ist diese erst genannte Art des Vertrauens ausreichend und adäquat.

    Als ich vor fünf Jahren zu Ihnen kam, dachte ich, ich würde mit Ihnen mehr über meine Kindheit sprechen und es stellte sich im weiteren Verlauf heraus, dass ich Probleme in der Gegenwart hatte, die ich mit Ihrer Hilfe gut lösen konnte. Im Rückblick war ich sehr erleichtert darüber, dass sich die Gegenwart hineingedrängt hatte und ich eben nicht über meine Kindheit – im Detail – mit Ihnen sprechen musste, weil mich das von dem Druck befreite, über Dinge zu sprechen, über die ich nicht sprechen möchte.

    Denn die Vergangenheit macht mir Angst. Ich weiß selbst nicht, was mich erwarten wird. Ich muss oder ich werde versuchen Kontrolle abzugeben und ich muss mich darauf verlassen können, dass Sie das mit mir zusammen machen. Ich bin mir jetzt darüber klar geworden, dass ich in meinem Umfeld einige Personen habe, die mich in meiner Gegenwart begleiten und dass ich meine Leben im Heute gut bewältigen kann und dort auch Unterstützung habe. Ich brauche Ihre Hilfe aktuell nicht, um ein Heute meistern zu können, sondern ich brauche Sie, um über meine Vergangenheit sprechen zu können und ich bin mir sicher, dass Sie das auch fachlich und sachlich können.

    Ich habe aber vor allem trotzdem Angst davor, dass Sie mich enttäuschen könnten, weil ich das Gefühl habe, ich würde mich schutzlos ausliefern und ich aus der Vergangenheit weiß, wie stark Enttäuschungen mich erschüttern. Ich weiß, dass diese Angst auch in Ordnung ist, da sie keine sachliche bzw. rationale Grundlage haben muss, um sie zu fühlen.

    Ich habe Angst, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich eine weitere Enttäuschung überleben kann und wenn ich mich auf diese gemeinsame Therapie einlasse, werde ich Dinge sagen, die sehr viel Raum für Enttäuschung eröffnen und ich habe einfach schon zu viel Angst gehabt.

    Und auch wenn das banal klingt, habe ich Angst davor zu weinen, weil doch meine Gefühle das Einzige sind, was ich nach außen hin kontrollieren kann – ich denke das zumindest – und das deutlichste Zeichen für mich dafür, dass ich Gefühle habe, ist das Weinen. Wenn sie mich weinen sehen, wissen Sie, dass ich Gefühle habe.

    Bitte gehen Sie mit mir behutsam um. Und bitte enttäuschen Sie mich nicht.

    Herzliche Grüße,

  • Wie macht man Schluss? Teil 2

    Wie macht man Schluss? Teil 2

    Ich hatte schon einmal darüber geschrieben. Wie beendet man eine Freund:innenschaft? Ich kenne die Antwort darauf immer noch nicht. Es hängt vermutlich vom Einzelfall ab.

    Am elegantesten ist es wohl, wenn sich beide Beteiligten darüber einig sind und der Kontakt so im Sand verläuft. Das habe ich selber schon erlebt und diese Art lässt die Tür zu einer erneuten Kontaktaufnahme einen Spalt offen.

    Es gab aber diesen einen Menschen, mit dem ich eben nicht mehr befreundet sein wollte. Der Gedanke hat mich lange belastet. Ich bin nicht der Typ, der schnell Freund:innenschaften schließt, und … ich weiß auch nicht, jedenfalls habe ich mir sehr lange Gedanken darüber gemacht, ob es in Ordnung ist, wenn ich mich zurückziehe.

    Und als ich mich endlich durchgerungen hatte, auf mein Gefühl zu vertrauen, stellte ich mir lange Zeit die Frage, wie ich mich zurückziehen kann. Zu Beginn meldete ich mich weniger. Das war mit der Hoffnung verknüpft, dass dieser Mensch schon merken würde, was Sache ist.

    Ich mache das hier mal kurz. Nein, dieser Mensch hat nichts gemerkt. Weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, war ich sogar noch bei ihrer Geburtstagsfeier und fühlte mich noch schlechter.

    Vielleicht habe ich in der Zeit auch ein bisschen zu viel darüber nachgedacht. Ich finde es immer noch furchtbar, dass ich einen Brief geschrieben habe, in dem ich ihr mitteilte, dass ich mich nicht mehr melden werde.

    Ich habe auch abgewogen, auf welchem Wege ich ihr das mitteile.

    Persönlich? Nein, auf gar keinen Fall.

    Am Telefon? Noch schlimmer!

    Per Kurznachricht? Nein, das ist überhaupt keine Option.

    Ich dachte erst, dass eine E-Mail ein guter Weg wäre, aber die ist schnell beantwortet und auch weitergeleitet.

    Es blieb dann nur ein Brief.

    Den zu schreiben, war auch nicht einfach. Gibt es da die richtigen Worte? Ich wollte sie auf keinen Fall verletzen… jedenfalls nicht noch zusätzlich und das ist mir sicher nicht gelungen. Ich hatte das Gefühl, dass eine Erklärung angebracht wäre, aber wie?

    Auch die Wochen danach hat mich das sehr beschäftigt. Eine ganz große Misere – das alles.

    Was will ich damit denn eigentlich sagen? (Mal davon abgesehen, dass ich mir offensitlich sehr viele Gedanken mache.) Es ist eine ganz blöde Situation, wenn die eine nicht mehr will und die andere nichts ahnt, wie auch…

    Denn diese andere, die war ich auch und weil es da nie ein klares Wort gab, hänge ich doch immer noch an dieser Person, die das gar nicht mehr möchte.

    Dieser klare Schnitt, der tut weh. Beiden. Ich gehe davon aus, das niemand leichtfertig den Kontakt abbricht. Es gibt Gründe.

    Ein letztes Wort, das hätte ich mir gewünscht. Das wäre die vergangene Zeit wert gewesen. Keine Erklärung, keine lange Abschiedsrede, einfach ein klares Wort.

  • Ich darf das sagen. (Spoiler: Nein, darfst du nicht!)

    Ich habe das sicherlich schon mal irgendwann geschrieben, würde es aber auf Anhieb hier nicht finden. Meinen Eltern war es immer sehr wichtig, dass wir nach Außen wie eine glückliche Familie wirkten. Sehr wichtig, um diesen Anschein aufrecht zu erhalten, war ihnen Familienurlaub. Familienurlaub scheint eine besonders große Rolle im Glückliche-Familie-Theater zu spielen. Vielleicht fahre ich heute deswegen sehr ungern in Urlaub, vielleicht auch nicht, weiß ich nicht.

    Jedenfalls erinnere ich mich an angespannte Stimmung und gespielte Fröhlichkeit an verschiedenen Orten der Welt. Ein Ortswechsel ändert nichts an der Familie, außer wir besuchten Verwandte, denn dann änderte sich (irgendwie jedenfalls) die Familienkonstellation, aber es war immer noch genauso sch… manchmal auch noch beschissener.

    Meine Eltern waren nie davon abzubringen, dass ein Familienurlaub eine spitzenmäßige Idee ist.

    So kam es dann im Jahr 1990, dass wir alle zusammen zuerst die Familie meine Schwägerin in Paris besuchten und im Anschluss zwei Wochen in der Bretagne waren. Ich höre schon das Seufzen. „Ach, die Bretagne, wie schön.“ Ja, also, schon auch, aber mit meiner Familie, wie schon gesagt: NEIN!

    Mein Bruder und meine Schwägerin hatten im Dezember geheiratet und meine Schwägerin war bei Antritt der Reise hochschwanger. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre hochschwanger mit meinen Eltern verreist… Nein, besser nicht vorstellen.

    Meine Schwägerin – inzwischen die Ex-Schwägerin – ist Schwarz. Das erwähne ich, weil es für das folgende wichtig ist. Meine Mutter ist selbtherrlich, das erwähne ich, weil es die Wahrheit ist und erklärt, warum mich meine Mutter mein ganzes Leben so genervt hat. Meine Mutter ist toxisch und narzistisch. Ihre Wahrnehmung ist so verdreht, dass ich es nicht aushalten kann.

    Wir sind mit zwei Autos gefahren. Ein schwarzer Polo und vermutlich ein roter Golf. Wichtig ist zu verstehen, dass diese Autos 1990 Kleinwagen waren, sie waren klein. Wir waren zu 7 unterwegs, 5 Erwachsene – davon eine hochschwanger, und 2 Teenagerinnen, wobei – ich war noch 12, aber so genau muss es ja eigentlich nicht sein.

    In meiner Erinnerung bin ich die meiste Zeit im Polo gewesen, den mein Vater gefahren hat. Den Golf steuerte meine Mutter. Irgendwann auf dieser Reise kam es zu einer Diskussion, es waren vermutlich viele Diskussionen, aber ich weiß nur von der einen. Denn meine Mutter, die weiß einfach alles, und sie weiß es auch alles besser. Es gibt wirklich kaum etwas nervigeres, als mit meiner Mutter zu diskutieren. Sie ist windig wie ein Wurm, ihr Fähnlein weht so wechselhaft im Wind, dass jedem schwindelig wird, außer ihr natürlich, denn ganz ohne Zweifel steht für immer und ewig fest: Sie hat Recht, immer. Wenn sie nicht Recht hat, hat sie trotzdem Recht. Ende.

    So kam es also dazu, dass meine Mutter meiner Schwägerin sehr genau erläuterte, warum sie als N* bezeichnet werden darf. Denn dieses Wort hätte ja nichts mit Rassismus zu tun, denn die ursprüngliche Wortbedeutung … und zudem ist es auch … und ich weiß das … und auch wenn du das ablehnst, werde ich das immer noch sagen dürfen und zwar … (Ich möchte keine ungültigen Argumente wiedergeben, aber die meisten werden wissen, wie solche Belehrungen formuliert werden.)

    Ja, und das sprengte dann auch die Grenzen meiner Vorstellungskraft. Meine Mutter setzte neue Maßstäbe für gelebte Ignoranz! Mit 12 Jahren wusste ich, dass meine Mutter nicht Recht hatte. Das war ja nun nicht das erste Mal, dass ich das erlebte, aber dass sie so überheblich sein konnte, das war für mich erschreckend und beschämend.

    Es ist nicht „überliefert“, was mein Bruder dazu sagte oder ob mein Vater sich positionierte. Alles sehr erbärmlich.

    Ich glaube, dass jede*r eine Person in seinem Umfeld haben sollte, die bei passender Gelegenheit ganz klar und deutlich sagt: „Jetzt halt einfach mal deine Fresse! Bei diesem Thema sei einfach ruhig.“

  • Mein Jahresrückblick 2020

    Mein Jahresrückblick 2020

    Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war Dein Jahr?
    Es gab einige gute Tage, aber die meisten waren es nicht. Es war einfach alles zu viel für ein Jahr. Im Großen und Ganzen war es für mich – in meinem Leben – passabel, es gab keine großen Überrsaschungen – weder im Guten noch im Schlechten. Aber die Begleitumstände waren zu viel. Ich weiß gar nicht, wie ich das in Worte fassen kann. Es drohte oft zu kippen. Ich hatte viele schwarze Tage, an denen mir die Hoffnung fehlte, die Selbstzweifel kamen. Dieses Jahr war freudlos, weil sich die Gefühle in mir stapelten und die Freude nicht mehr durchdringen konnte. Ich habe mich so sehr nach Ruhe gesehnt, nach einer Ruhe, die nichts will, die nicht fordert. Einfach nur herrliche Ruhe. Ruhe gab es 2020 nicht.

    Nach vielen Jahren mit depressiven Episoden war 2020 nicht mein schlechtestes Jahr. Tröstlich ist das sicher nicht. Ich hatte mich 2019 auf ein Jahr gefreut, in dem ich Leichtigkeit erleben kann, in dem ich mich erholen kann. Erholung und Leichtigkeit gab es nicht.

    Ich will nicht jammern, das Leben geht weiter, auch hinter der Belastungsgrenze geht es immer weiter. Bergauf, bergab. Ich mag nicht mehr zwanghaft, an das Gute in meinem Leben denken, was mich trösten soll. Wie lange soll das helfen? Ich bin ernüchtert, ich bin enttäuscht, ich bleibe einfach hier in meinem Haus und schaue, was passiert.

    Wie kriegt man in so einem Jahr gedanklich die Kurve? Was hilft mir in so einem Jahr? Lachen. Trotzdem lachen. In diesen Sekunden ist es gut – alles gut. Keine Sorgen, keine Zweifel. Alles für einen kurzen Moment weggelacht. Lachen muss man wollen. Dafür reicht die Kraft. Herzhaft lachen. Alles andere in diesem beschissenem Jahr ist harte Arbeit. Ein Fuß vor den anderen, immer weiter. Wann ist das Leben so anstrengend geworden?

    (Nachtrag: Natürlich sind in diesem Jahr auch viele gute Dinge passiert. Zudem haben wir alles, was wir brauchen (materiell), und auch viel zu viel, was wir eigentlich nicht brauchen. Ich will aber nicht versöhnlich sein, ich will (noch) nicht akzeptieren, das es so ist, wie es ist. 2020 geh einfach nur weg!)

    Zugenommen oder abgenommen?
    Erst zugenommen, dann abgenommen, dann wieder zugenommen.

    Haare länger oder kürzer?
    Länger.

    Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
    Weder noch.

    Mehr Geld oder weniger?
    Mehr.

    Mehr ausgegeben oder weniger?
    Weniger.

    Der hirnrissigste Plan?
    Ein schönes und entspanntes Jahr zu erleben.

    Die gefährlichste Unternehmung?
    2020

    Das leckerste Essen?
    Das indische Gemüse-Kepab.

    Das beeindruckendste Buch?
    Ich habe dieses Jahr wenige Bücher gelesen. Von März bis August fehlte mir die Konzentrationsfähigkeit dafür und ich habe einige Graphic Novels gelesen. Es waren ein paar gute dabei.

    Der ergreifendste Film?
    Systemsprenger.

    Die beste Serie?
    The Mandalorian. (Absolut bedeutunglos, aber gute Unterhaltung!)

    Die beste CD?
    Was Musik betrifft bin ich einfach mega lame. Meine Playlist 2020 sieht von wenigen Ausnahmen abgesehen genauso aus wie 2019, 2018 usw. Damit „neue“ Musik mich nicht nervt, muss ich sie mehrfach hören. Dafür brauche ich Ruhe, die in den vergangen Jahren rar war.

    Das schönste Konzert?
    Deichkind am 29.02.2020 in der Köln Arena, wo ich nicht hätte hingehen sollen. Einen Tag später waren hier alle kulturellen Veranstaltungen „verboten“. Einen Tag vorher war ich mit meinem Sohn bei einem Konzert des The Jakob Manz Projekts. Das waren die einzigen Konzerte und somit auch die schönsten. Ich freue mich so sehr auf Live Musik. Das fehlt mir sehr.

    Die meiste Zeit verbracht mit…?
    meinen Kindern.

    Die schönste Zeit verbracht mit…?
    mir allein, ich habe die fünf Minuten (gefühlt) sehr genossen.

    Vorherrschendes Gefühl 2020?
    Müdigkeit.

    2020 zum ersten Mal getan?
    Homeschooling.

    2020 nach langer Zeit wieder getan?
    Lohnarbeit.

    3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
    Corona
    Homeschooling
    Müdigkeit

    Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
    Weiß ich nicht.

    Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
    Ein Adventskalender für meine Freundin.

    Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
    Weiß ich nicht.

    Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
    Weiß ich nicht.

    Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
    Weiß ich auch nicht.

    Besseren Job oder schlechteren?
    Weder noch.

    Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?
    Ein Buch.

    Mehr bewegt oder weniger?
    Vielleicht etwas mehr. Die Alltagsbewegung fehlt spürbar. Ich fand spazieren gehen schon immer blöd. So ohne Ziel herumlaufen, ist nicht meins. Mit meinen Kindern spazieren zu gehen, na ja, Spaß ist anders. Ein halbes Jahr waren wir regelmäßig zusammen unterwegs, jetzt bin ich im Spazier-Streik und weiß nicht, ob ich den jemals wieder brechen werde. Spazieren nervt. Sport ist aber gut und wichtig für mein Gleichgewicht.

    Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?
    Dieses Jahr hatte ich keine schwerwiegenden Erkrankungen, hatte ich noch nie. Dafür aber Erkältungen, Kreislaufbeschwerden und depressive Phasen im stetigen Wechsel. Mit etwas gutem Willen könnte ich zumindest damit zufrieden sein, dass nicht alles gleichzeitig aufgetreten ist. 2020 ist ein einziger Abfuck!

    Davon war für Dich die Schlimmste?
    Lagerungsschwindel. Das war schlimm. Ich möchte das nie wieder haben!

    Dein Wort des Jahres?
    Trotzdem.

    Dein Unwort des Jahres?
    Querdenker.

    Dein Lieblingsblog des Jahres?
    Novemberregen
    Anke Gröner
    Vorspeisenplatte

    Dein größter Wunsch fürs kommende Jahr?
    Herdenimmunität.

    2020 war mit 1 Wort…?
    2020

  • Netzwerken für Anfänger*innen (keine Tipps enthalten)

    Netzwerken für Anfänger*innen (keine Tipps enthalten)

    Aus bestimmten Gründen habe ich ein Profil bei LinkedIn erstellt und habe ein paar Erkenntnisse gewonnen.

    1. Ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis. (Die Erkenntnis war nicht neu, hat sich aber wieder einmal bestätigt.)
    2. 95% der Leute, deren Namen mir eingefallen sind, sind nicht auf LinkedIn.
    3. 95% der Leute, mit denen ich nun vernetzt bin, kenne ich gar nicht. (Aber um einen Eindruck über LinkedIn und die Funktionen zu bekommen, wollte ich eine gewisse Anzahl von Kontakten haben.)

    Mit einer Person der restlichen 5% habe ich mich tatsächlich ausgetauscht (diese Person kann sich aber wiederum nicht an mich erinnern). Er hat mich zu einem Workshop eingeladen, knapp 1.500 Euro für zwei Tage. Ach, nee. Wobei das sicherlich ein ganz toller Workshop ist, aber trotzdem kein Interesse. Während meines Abendstudiengangs vor sehr vielen Jahren war er als Dozent für Kommunikation tätig. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir wirklich einmal inhaltlich über das Thema „Kommunikation“ gesprochen hätten. Wir haben aber sehr viel miteinander gesprochen, dafür wurde u.a. am Anfang und am Ende der Stunden der Talking Stick herumgereicht. Ein Blitzlich im Stuhlkreis. Zu Beginn wurden die Fragen:

    • Wie geht es mir?
    • Was bringe ich mit?
    • Welche Erwartungen habe ich?
    • usw.

    besprochen.

    Zum Abschluss:

    • Wie geht es mir?
    • Was nehme ich mit?
    • Was habe ich heute gelernt?
    • usw.

    Im Rückblick wundere ich mich darüber, dass wir das alles so mitgemacht haben, denn so richtig verstanden hat keiner, was wir da eigentlich machen. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, dass ich nie so richtig wusste, was ich sagen sollte und den Talking Stick (der gar kein Stock war, aber ich weiß nicht mehr, was es war, vielleicht ein Stein) unkommentiert weitergab.

    Wir haben auch Rhythmus-Übungen gemacht. Denn alles hat einen Rhythmus, tatsächlich. Wir sind also rythmisch im Kreis gelaufen, einfach machen, nicht denken. Kleiner Kreis, großer Kreis, innerer Kreis, äußerer Kreis, hin und her, vor und zurück und hoffentlich kommt jetzt keiner rein! Das war nicht nur befremdlich, sondern auch lustig, mit einem gewissen Abstand.

    Besonders befremdlich war die folgende Übung. Am Ende einer Stunde forderte uns der Dozent auf, für das nächste Mal ein Buch komplett in Packpapier einzupacken. Es wäre sehr wichtig, dass das Buch komplett eingepackt ist. Darüber hinaus erklärte er nichts. Ich glaube, dass ich das Buch „Glennkill: Ein Schafskrimi“ mitgenommen habe. Das lag so rum. Auch bei dieser Aufgabe galt: Einfach machen, nicht denken.

    Einige hatten das Buch natürlich vergessen, der Dozent war entrüstet, worüber er sich aber gar nicht mehr einbekam war, dass eine Person das Buch in Backpapier eingewickelt hatte. „Backpapier“, murmelte er, „was ist das denn für ein Quatsch? Backpapier, das macht ja überhaupt gar keinen Sinn!“ Ja, ich möchte hier anmerken, dass es für mich natürlich sehr viel Sinn ergeben hatte, das Buch in Packpapier zu verpacken, wie für alle anderen natürlich auch… Er verzog sich dann grummelt in eine Ecke des Raums und wickelte alle Bücher in Flipchartpapier, damit sie auf den ersten Blick gleich aussahen.

    So, und dann kam das, was ich befürchtet hatte, was hätte auch anderes kommen sollen. Jede*r sollte sich ein Buch nehmen und mit ihm Kontakt aufnehmen, es drehen und wenden, es befühlen, mit den Fingern die Öberflächen und Ecken hinabgleiten und währenddessen begreifen, um welches Buch es sich handelt.

    Vielleicht ging es in der Übung auch darum zu sagen, dass die Übung einfach Schrott ist. Eine Mut-Übung? Aber wir haben alle mitgemacht und jede*r erzählte etwas zu dem Buch, das sie*er gar nicht sah, mit einer gewissen Ernsthaftigkeit. Vielleicht macht man das so nach einem langen Arbeitstag, müde und abgekämpft, wenn man dann im Anschluss in einem Schulungsraum sitzt, mit einem Dozenten, der Geld mit dieser Tätigkeit verdient. Ich weiß mit Sicherheit, dass keine*r begreifen konnte, welches Buch er in der Hand hielt. Komisch, oder?

  • Alle Menschen werden sich freuen!

    Alle Menschen werden sich freuen!

    Dingdong!

    Es klingelt an der Tür und ich überlege einen Moment, ob ich öffnen soll. Unangemeldeter Besuch ist selten. Es klingeln in dieser Reihenfolge: Nachbarkinder, die mit meinen Kindern spielen möchten (okay), Postboten, die unangemeldet kommen, i.d.R. aber erwartet werden (auch okay), der Messerschärfer, der Apfelverkäufer, der Bofrost-Mann, alle wollen etwas verkaufen (lästig), Spendensammler*innen (viele davon), Zeugen Jehovas (sehr lästig) und dann dieser Mann gestern.

    Er: Guten Tag!

    Ich: Hallo.

    Er: Ich habe ein Anliegen.

    Ich: Ja, bitte?

    Er: Es betrifft die Rückseite Ihres Grundstücks.

    Ich: Hmhm.

    Er: Ihre Birke. Die Äste ragen zu tief über den Gehweg.

    Ich: Aha, ja, hmhm.

    Er: Ich habe das mal nachgelesen. Es müssen 4 Meter Abstand zwischen den Ästen und dem Gehweg sein.

    Ich: Ach, das ist ja nett, dass Sie das nachgelesen haben, um mir das mitzuteilen.

    Er: Alle Menschen würden sich freuen, wenn Sie die Äste kürzen.

    Ich: Ach, alle Menschen auf der Erde werden sich freuen, wenn ich die Äste kürze.

    Er: Äh, ja, also die Menschen, die den Weg benutzen.

    Ich: Ja, dann möchte ich dieser Freude nicht im Weg stehen.

    Er: Ich kann Ihnen gerne dabei helfen.

    Ich: Nein, danke.

    Er war tatsächlich sehr bemüht, sein Anliegen freundlich vorzutragen. Dafür liebe 8 Punkte. Sein Problem (und so wie er meint, soll dieses ja das Problem aller Menschen sein, die den Weg entlanggehen) ja da fehlt mir offenbar das Bewusstsein für. Ich habe mir die besagte Stelle sehr kritisch angeschaut und für mich sieht das alles super aus.

    Ich hätte den Ast sogar schon abgesägt, wenn er nicht so weit oben am Baum wäre. Dafür muss ich aber auf eine Leiter steigen, wofür ich Untersützung (meinen Mann) brauche. Sicherheit geht vor Freude. Auch wenn das die Freude der vielen unzähligen Menschen ist, die diese problematische Stelle da an der Rückseite unseres Grundstücks passieren müssen. Probleme gibt es…

  • Herr Reul, bitte lassen Sie sich beraten!

    CN sexuelle Gewalt gegen Kinder, Suizidgedanken

    „Für mich ist sexueller Missbrauch wie Mord.“

    Herbert Reul am 11.06.2020

    Er setzt diese Aussage im Weiteren fort: „Damit wird das Leben von Kindern beendet – nicht physisch, aber psychisch.“ Was soll denn das bedeuten? Ein Kind, das sexueller Gewalt ausgesetzt war, lebt also im Anschluss wie ein seelenloses Wesen – wie ein Zombie.

    1984 wurde ich eingeschult und bin dann auf meinem täglichen Schulweg am Elternhaus von Herbert Reul vorbeigegangen. Das weiß ich so genau, da Herbert Reuls Vater der Bürgermeister meines „Heimatortes“ war. Da in diesem Ort nicht viel passierte, war es etwas besonderes am Haus des Bürgermeisters vorbeizukommen. „Ui, schau mal, da wohnt der Bürgermeister.“ Herbert Reul ist 25 Jahre älter als ich, so dass ich ihm vermutlich nie persönlich begegnet bin. Aber vielleicht hat er mich einmal gesehen, als er seine Eltern besuchte, wie ich von der Schule wieder nach Hause ging. Ich bin mir sicher, dass ich wie jedes andere Schulkind wirkte. Vielleicht bin ich in dem Moment gehüpft, habe gelacht. Vielleicht war ich so schnell auf meinem Rad unterwegs, dass er sich gar nicht sicher war, ob ich überhaupt am Haus vorbeigefahren war. Ein Zombie war ich auf keinen Fall.

    Das letzte was ein Opfer von sexueller Gewalt braucht, ist ein alter, weißer Mann, der ihr erklärt, wie sie sich zu fühlen hat. Zum ersten würde es helfen, die Dinge beim Namen zu nennen. Es geht nicht um Kindesmissbrauch. Dieser Begriff ist irreführend und falsch. Die Bezeichnung „sexuelle Gewalt“ ist ebenfalls nicht optimal, denn es geht hier um Vergewaltigung.

    Warum macht sich ein gebildeter Mann nicht die Mühe, die richtigen Worte zu finden? Als NRW-Innenminsiter hat er sicherlich die Möglichkeit, sich eine Rede schreiben zu lassen. Am besten von jemanden, der sich auskennt. Oder vielleicht einfach mal die Fresse halten. (Entschuldigen Sie die unsachliche Ausdrucksweise.)

    Ich kann nur von mir als Opfer sprechen, ich weiß nicht, wie andere sich fühlen. Was m.E. helfen würde? Solidarität, echte Solidarität! Reflexhaft darüber zu sinnieren, dass Strafen erhöht werden müssen, ja, danke, kenne ich schon. Hilft keinem Opfer, hilft nicht weitere Kinder zu schützen. Das sind nur hohle Worte, die zeigen, dass sich da jemand nicht mit dem Thema befasst hat.

    Opfer zu sein, ist ein Teil meines Leben. Das hat lange Zeit mein Leben überschattet. Ich hatte schon früh Selbstmordgedanken und dachte, dass das „normal“ wäre. Es war ein Auf und Ab. Das wird mich mein Leben lang begleiten, etwas was ich nicht wollte, etwas, was es nicht geben sollte, etwas, für was ich nicht die Schuld trage. Ein langer Weg.

    Aber das ist nicht alles, was mich ausmacht. Da ist mehr. Wenn Herbert Reul mich also für seelisch tot erklärt, dann macht er das sehr medienwirksam, will sich als Versteher und Handler postitionieren und entblößt genau das Gegenteil. Für den, der keine Ahnung hat, für den gibt es immer die Option schweigen. Mit etwas Willen hätte er den Opfern eine Stimme geben können, hat er aber nicht. Danke für nichts.

  • Mein Jahresrückblick 2019

    Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war Dein Jahr?
    Diese Frage beantworte ich wieder nicht. Zu viele Schwankungen.

    Zugenommen oder abgenommen?
    Zugenommen.

    Haare länger oder kürzer?
    Länger.

    Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
    Weder noch.

    Mehr Geld oder weniger?
    Weder noch.

    Mehr ausgegeben oder weniger?
    Weniger.

    Der hirnrissigste Plan?
    Jetzt starte ich so richtig durch.

    Die gefährlichste Unternehmung?
    Hier habe ich leider nichts zu bieten. Ich denke, dass das Leben an sich schon gefährlich genug ist, so dass ich mich nicht noch zusätzlich in Gefahr bringe. (Die selbe Antwort wie 2018.)

    Das leckerste Essen?
    Es gab kein herausragendes Essen, es war (fast) alles lecker.

    Das beeindruckendste Buch?
    Ich habe in diesem Jahr leider nicht viele Bücher gelesen. Besonders beeindruckt hat ich Die Geschichte von Herrn Sommer von Patrick Süskind und Wenn es einen noch gibt. Ein Familienporträt von Rose Lagercrantz.

    Der ergreifendste Film?
    Die Frau des Nobelpreisträgers: The Wife mit Glenn Close.

    Die beste Serie?
    Wir haben dieses Jahr sehr viele Serien geschaut, aber die beste fällt mir gerade nicht ein.

    Die beste CD?
    Auch dieses Jahr habe ich wenig neue Musik gehört, es war nichts herausragendes dabei.

    Das schönste Konzert?
    Im Februar war ich bei Fünf Sterne Deluxe, das hat mir sehr gut gefallen. Jamiroquai war auch toll. Besonders gut hat mir Triosence gefallen, das war wirklich schön, aber leider war es auch die mit Abstand unbequemste Location ever (Altes Pfandhaus Köln). Mein Rücken hat nach der ersten Hälfte so stark wehgetan, zu eng, zu unbequem, zu voll. Die Musik war aber erstklassig.

    Die meiste Zeit verbracht mit…?
    meinen Kindern.

    Die schönste Zeit verbracht mit…?
    meiner Familie und Freundinnen.

    Vorherrschendes Gefühl 2018?
    Schwankungen.

    2019 zum ersten Mal getan?
    Zwei Zahnimplantate bekommen, alles sehr unangenehm.

    2019 nach langer Zeit wieder getan?
    Mit einer Freundin im Kino gewesen.

    3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
    Schwankungen
    Hausaufgaben (der Kinder)
    Hitze

    Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
    Ich mich davon, dass es in Ordnung ist, wie es ist.

    Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
    Das weiß ich nicht.

    Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
    Zeit.

    Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
    Ich hab dich lieb.

    Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
    Ich liebe dich.

    Besseren Job oder schlechteren?
    Weder noch.

    Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?
    Nein, nichts gewonnen.

    Mehr bewegt oder weniger?
    Weniger.

    Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?
    Keine Ahnung, das zähle ich nicht. Es war jedenfall nichts ernstes dabei. (Selbe Antwort wie 2018)

    Davon war für Dich die Schlimmste?
    Zahnschmerzen.

    Dein Wort des Jahres?
    Mut.

    Dein Unwort des Jahres?
    Zweifel.

    Dein Lieblingsblog des Jahres?
    Maultaschen oder Ravioli

    Dein größter Wunsch fürs kommende Jahr?
    Klarheit.

    2019 war mit 1 Wort…?
    Ambivalent.

    Mein Jahresrückblick 2017

    Mein Jahresrückblick 2016

  • #kinderbuchschätze

    In meiner Kindheit hatten Bücher keinen großen Stellenwert. Ich kannte die Mainzelmännchen, wusste aber nicht wer die Heinzelmännchen sind. Die Kinder aus Bullerbü, Pippi Langstrumpf, Karlsson vom Dach, Michel aus Lönneberga kannte ich ebenfalls aus dem Fernsehen (und liebte sie alle), aber wer Astrid Lindgren war, davon hatte ich lange keine Ahnung. Meine Eltern lasen zwar selber Bücher, aber abgesehen von der Weihnachtsgeschichte, die mein Vater am Heiligen Abend bedeutungsschwer aus dem Lukas Evangelium vorlas, wurde nicht vorgelesen. Die Wimmelbücher von Ali Mitgutsch kannte ich aus der Kinderarztpraxis, Zuhause hatte ich überwiegend Bilderbücher, die sich mit Bibelgeschichten befassten.

    Eine Ausnahme, an die ich mich besonders gut erinnere, ist das kleine Kinderbuch The Elves and the Shoemaker. Ich habe mir dieses Buch immer und immer wieder angeschaut, die Texte konnte ich nicht lesen, da sie, wie der Titel vermuten lässt, in englischer Sprache waren. (Woher ich das Buch hatte, weiß ich nicht mehr, ich vermute, dass es ein Geschenk der Verwandtschaft aus England oder Süd Afrika war.) Das ist also mein persönlicher und einziger Kinderbuch-Klassiker, den ich selbst als Kind besaß und der leider verloren ging. Ich habe mir das Buch letztes Jahr online bestellt und musste vor Glück tatsächlich weinen, als ich es in Händen hielt. Ein wiederentdeckter Schatz.

    Es gibt wahrscheinlich einige Menschen, die meine Begeisterung für Bücher nicht verstehen können, aber ich bin mir sicher, dass viel mehr verstehen, warum ein Buch ein echter Schatz sein kann.

    Und so war es mir wichtig meinen Kindern so früh wie möglich vorzulesen. Das brachte auch den Vorteil mit sich, dass ich die Lektüre der Kinderbuch-Klassiker für mich nachholen konnte und mit den Jahren sind es einige geworden. Um bei der englischen Literatur zu bleiben, möchte ich auf Pu der Bär von A. A. Milne und Der Wind in den Weiden von Kenneth Grahame verweisen. Es sind zurecht weltweit zwei geliebte Klassiker der englischen Literatur. Es sind zwei Bücher, die von der Freundschaft handeln, und die ich jedem empfehlen möchte. Pu der Bär, ein Bär mit geringem Verstand (so steht es im Buch), aber mit einem Herzen so groß, dass die ganze Welt hineinpasst. In Der Wind in den Weiden stehen Wasserratte, Maulwurf und Dachs ihrem Freund dem Kröterich zur Seite, egal wie töricht er sich aufführt (und ich kann versichern, dass er das sehr gründlich tut). Es sind zwei Bücher, die von der bedingungslosen Liebe handeln und von dem was Freundschaft, Mitgefühl und Geduld möglich machen können. Es sind Geschichten, die Kinder stärken können, die zeigen, wie ein Miteinander sein kann, wenn man füreinander da ist, wenn da jemand ist, der einfach da ist. Bedingungslos.

    Die Aktion #kinderbuchschätze wurde von Dagmar Eckhardt auf instagram ins Leben gerufen. Ich bin über kinderbuchlesen.de darauf aufmerksam geworden.

  • Das soll so sein… oder eben nicht…

    Immer wieder lese ich, dass auch die schlechten Dinge für etwas gut sein sollen. Oder dass sich der Sinn von unguten Erlebnissen erst später offenbart. Oder auch gerne, dass das Leben eben so sein soll, mit dem Guten und dem Schlechten.

    Ich glaube, dass es eine perfekte Kindheit weder gibt noch geben kann. Aber nicht, weil das so sein soll, oder das für etwas gut ist (so nach dem Motto, dass Kinder somit für das Leben abgehärtet werden)  oder sich der Sinn einer grob gesagt unerfreulichen Kindheit erst später im Leben zeigen würde. Sondern einfach, weil die Welt nicht so ist. Es gibt keine Perfektion. Wer sollte das schon bestimmen können? Wie wäre denn eine perfekte Kindheit?

    Bevor ich Kinder hatte, war ich durchaus naiv, was das Thema Erziehung betrifft. Im Rückblick ist es vollkommen lächerlich, was ich mir da so dachte. Es gab sehr viele Tage, an denen ich schon dankbar war, dass die Kinder komplett angezogen das Haus verlassen haben. Kind2 hatte schon immer einen starken Willen und wenn ich anfangs noch versuchte mit ihr über ihre Kleiderauswahl zu diskutieren, ließ ich das sehr schnell sein. Warum, dachte ich mir, soll ich Energie dafür einsetzen mit meinem zweijährigen Kind über meine Vorstellung bezüglich „Kindermode“ zu diskutieren. Das einzige Kriterium, das am Ende für mich wichtig war, lautete: wettergerechte Kleidung. Und alle waren zufrieden. Das Kind mit dem wilden Farben- und Mustermix und ich mit dem Kind.

    Was will ich damit sagen? Meine Energie ist begrenzt und oft reicht sie, um die anstehenden Aufgaben und Anforderungen so zu lösen, dass sie gelöst sind. Weder perfekt noch schön, auch nicht originell oder speziell, weder witzig noch spritzig, nicht individuell oder modisch, sondern einfach nur gelöst. Viele Dinge bleiben auf der To-do-Liste oder ich streiche sie, und es kommt auch vor, dass ich sie ganz vergesse.

    Aber, was soll ich sagen, meine Kinder gehen jeden Tag angezogen raus in die Welt. Zielerfüllung 100%. Kind1 ist einmal mit einem gelben Helm und Taucherbrille aus dem Haus gegangen. Die Nachbarin fragte: „Guten Morgen! Bist du ein Forscher?“ Und mein Kind antwortete: „Nein, ich trage nur einen Helm und eine Taucherbrille.“ (Das ist wohl eine Fähigkeit, die vielen mit der mit der Zeit verloren geht. Etwas tun, was komplett zweck- und sinnlos ist, etwas wofür es keine Erwartungen oder Milestones gibt, keinen Plan.)

    Es hat viele Jahre gebraucht, um zu verinnerlichen, dass es vollkommen ausreichend ist, die Dinge okay zu schaffen. (Ich arbeite noch daran zu verinnerlichen, dass es auch okay ist, zu scheitern.)

    Aber das was für mich am wichtigsten ist, ist das auch meinen Kindern zu sagen. Ich bin nicht perfekt, ich flippe aus, ich bin ungeduldig, ich bin auch doof und ihr könnt mir das sagen, ich bin da für euch, so wie ich bin. Ich gebe mein Bestes, um euch durch diese Welt zu begleiten, so dass ihr euch bei Sorgen, Ängsten und Problemen immer gewiss sein könnt, dass ihr bei euch Zuhause eure Eltern habt, die euch lieben, die für euch da sind, na ja, und die zwar auch meckern, euch blöde Elterntipps geben, die euch mit den Augen rollen lassen, aber wir sind da.

    Und was ist, wenn Kinder solche Eltern nicht haben? Dann „soll“ sich das Kind damit trösten, dass das doch sicherlich einen Sinn hat, weil das so sein „soll“. Nein, sicher nicht!