Immer wieder lese ich, dass auch die schlechten Dinge für etwas gut sein sollen. Oder dass sich der Sinn von unguten Erlebnissen erst später offenbart. Oder auch gerne, dass das Leben eben so sein soll, mit dem Guten und dem Schlechten.
Ich glaube, dass es eine perfekte Kindheit weder gibt noch geben kann. Aber nicht, weil das so sein soll, oder das für etwas gut ist (so nach dem Motto, dass Kinder somit für das Leben abgehärtet werden) oder sich der Sinn einer grob gesagt unerfreulichen Kindheit erst später im Leben zeigen würde. Sondern einfach, weil die Welt nicht so ist. Es gibt keine Perfektion. Wer sollte das schon bestimmen können? Wie wäre denn eine perfekte Kindheit?
Bevor ich Kinder hatte, war ich durchaus naiv, was das Thema Erziehung betrifft. Im Rückblick ist es vollkommen lächerlich, was ich mir da so dachte. Es gab sehr viele Tage, an denen ich schon dankbar war, dass die Kinder komplett angezogen das Haus verlassen haben. Kind2 hatte schon immer einen starken Willen und wenn ich anfangs noch versuchte mit ihr über ihre Kleiderauswahl zu diskutieren, ließ ich das sehr schnell sein. Warum, dachte ich mir, soll ich Energie dafür einsetzen mit meinem zweijährigen Kind über meine Vorstellung bezüglich „Kindermode“ zu diskutieren. Das einzige Kriterium, das am Ende für mich wichtig war, lautete: wettergerechte Kleidung. Und alle waren zufrieden. Das Kind mit dem wilden Farben- und Mustermix und ich mit dem Kind.
Was will ich damit sagen? Meine Energie ist begrenzt und oft reicht sie, um die anstehenden Aufgaben und Anforderungen so zu lösen, dass sie gelöst sind. Weder perfekt noch schön, auch nicht originell oder speziell, weder witzig noch spritzig, nicht individuell oder modisch, sondern einfach nur gelöst. Viele Dinge bleiben auf der To-do-Liste oder ich streiche sie, und es kommt auch vor, dass ich sie ganz vergesse.
Aber, was soll ich sagen, meine Kinder gehen jeden Tag angezogen raus in die Welt. Zielerfüllung 100%. Kind1 ist einmal mit einem gelben Helm und Taucherbrille aus dem Haus gegangen. Die Nachbarin fragte: „Guten Morgen! Bist du ein Forscher?“ Und mein Kind antwortete: „Nein, ich trage nur einen Helm und eine Taucherbrille.“ (Das ist wohl eine Fähigkeit, die vielen mit der mit der Zeit verloren geht. Etwas tun, was komplett zweck- und sinnlos ist, etwas wofür es keine Erwartungen oder Milestones gibt, keinen Plan.)
Es hat viele Jahre gebraucht, um zu verinnerlichen, dass es vollkommen ausreichend ist, die Dinge okay zu schaffen. (Ich arbeite noch daran zu verinnerlichen, dass es auch okay ist, zu scheitern.)
Aber das was für mich am wichtigsten ist, ist das auch meinen Kindern zu sagen. Ich bin nicht perfekt, ich flippe aus, ich bin ungeduldig, ich bin auch doof und ihr könnt mir das sagen, ich bin da für euch, so wie ich bin. Ich gebe mein Bestes, um euch durch diese Welt zu begleiten, so dass ihr euch bei Sorgen, Ängsten und Problemen immer gewiss sein könnt, dass ihr bei euch Zuhause eure Eltern habt, die euch lieben, die für euch da sind, na ja, und die zwar auch meckern, euch blöde Elterntipps geben, die euch mit den Augen rollen lassen, aber wir sind da.
Und was ist, wenn Kinder solche Eltern nicht haben? Dann „soll“ sich das Kind damit trösten, dass das doch sicherlich einen Sinn hat, weil das so sein „soll“. Nein, sicher nicht!
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