Netzwerken für Anfänger*innen (keine Tipps enthalten)

Aus bestimmten Gründen habe ich ein Profil bei LinkedIn erstellt und habe ein paar Erkenntnisse gewonnen.

  1. Ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis. (Die Erkenntnis war nicht neu, hat sich aber wieder einmal bestätigt.)
  2. 95% der Leute, deren Namen mir eingefallen sind, sind nicht auf LinkedIn.
  3. 95% der Leute, mit denen ich nun vernetzt bin, kenne ich gar nicht. (Aber um einen Eindruck über LinkedIn und die Funktionen zu bekommen, wollte ich eine gewisse Anzahl von Kontakten haben.)

Mit einer Person der restlichen 5% habe ich mich tatsächlich ausgetauscht (diese Person kann sich aber wiederum nicht an mich erinnern). Er hat mich zu einem Workshop eingeladen, knapp 1.500 Euro für zwei Tage. Ach, nee. Wobei das sicherlich ein ganz toller Workshop ist, aber trotzdem kein Interesse. Während meines Abendstudiengangs vor sehr vielen Jahren war er als Dozent für Kommunikation tätig. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir wirklich einmal inhaltlich über das Thema “Kommunikation” gesprochen hätten. Wir haben aber sehr viel miteinander gesprochen, dafür wurde u.a. am Anfang und am Ende der Stunden der Talking Stick herumgereicht. Ein Blitzlich im Stuhlkreis. Zu Beginn wurden die Fragen:

  • Wie geht es mir?
  • Was bringe ich mit?
  • Welche Erwartungen habe ich?
  • usw.

besprochen.

Zum Abschluss:

  • Wie geht es mir?
  • Was nehme ich mit?
  • Was habe ich heute gelernt?
  • usw.

Im Rückblick wundere ich mich darüber, dass wir das alles so mitgemacht haben, denn so richtig verstanden hat keiner, was wir da eigentlich machen. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, dass ich nie so richtig wusste, was ich sagen sollte und den Talking Stick (der gar kein Stock war, aber ich weiß nicht mehr, was es war, vielleicht ein Stein) unkommentiert weitergab.

Wir haben auch Rhythmus-Übungen gemacht. Denn alles hat einen Rhythmus, tatsächlich. Wir sind also rythmisch im Kreis gelaufen, einfach machen, nicht denken. Kleiner Kreis, großer Kreis, innerer Kreis, äußerer Kreis, hin und her, vor und zurück und hoffentlich kommt jetzt keiner rein! Das war nicht nur befremdlich, sondern auch lustig, mit einem gewissen Abstand.

Besonders befremdlich war die folgende Übung. Am Ende einer Stunde forderte uns der Dozent auf, für das nächste Mal ein Buch komplett in Packpapier einzupacken. Es wäre sehr wichtig, dass das Buch komplett eingepackt ist. Darüber hinaus erklärte er nichts. Ich glaube, dass ich das Buch “Glennkill: Ein Schafskrimi” mitgenommen habe. Das lag so rum. Auch bei dieser Aufgabe galt: Einfach machen, nicht denken.

Einige hatten das Buch natürlich vergessen, der Dozent war entrüstet, worüber er sich aber gar nicht mehr einbekam war, dass eine Person das Buch in Backpapier eingewickelt hatte. “Backpapier”, murmelte er, “was ist das denn für ein Quatsch? Backpapier, das macht ja überhaupt gar keinen Sinn!” Ja, ich möchte hier anmerken, dass es für mich natürlich sehr viel Sinn ergeben hatte, das Buch in Packpapier zu verpacken, wie für alle anderen natürlich auch… Er verzog sich dann grummelt in eine Ecke des Raums und wickelte alle Bücher in Flipchartpapier, damit sie auf den ersten Blick gleich aussahen.

So, und dann kam das, was ich befürchtet hatte, was hätte auch anderes kommen sollen. Jede*r sollte sich ein Buch nehmen und mit ihm Kontakt aufnehmen, es drehen und wenden, es befühlen, mit den Fingern die Öberflächen und Ecken hinabgleiten und währenddessen begreifen, um welches Buch es sich handelt.

Vielleicht ging es in der Übung auch darum zu sagen, dass die Übung einfach Schrott ist. Eine Mut-Übung? Aber wir haben alle mitgemacht und jede*r erzählte etwas zu dem Buch, das sie*er gar nicht sah, mit einer gewissen Ernsthaftigkeit. Vielleicht macht man das so nach einem langen Arbeitstag, müde und abgekämpft, wenn man dann im Anschluss in einem Schulungsraum sitzt, mit einem Dozenten, der Geld mit dieser Tätigkeit verdient. Ich weiß mit Sicherheit, dass keine*r begreifen konnte, welches Buch er in der Hand hielt. Komisch, oder?


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