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  • Wie macht man Schluss?

    Wie macht man Schluss?

    Bei Twitter habe ich zum Jahreswechsel ein paar Tweets gelesen, in denen es darum ging, bestimmte Menschen „im alten Jahr zu lassen“. Es gab sogar jemanden, der wollte sich von Menschen verabschieden, die über Whatsapp „lustige“ Bilder ohne einen eigenen Text weiterleiten, denn das können ja nun wirklich keine Freunde sein. So streng bin ich nicht… (also wenn mir jemanden ausschließlich solche Bilder weiterleiten würde, dann wäre das sicherlich nur ein Bekannter und den würde ich dann bei Whatsapp stumm stellen).

    Aber was ist denn mit den Menschen, mit denen man sich in der Vergangenheit auf irgendeine Weise verbunden fühlte, sich aber diese Verbundenheit komplett aufgelöst hat? Rufe ich diese Person an oder schreibe einen Brief und versuche mich zu erklären? „Es liegt an mir und nicht an dir. Wir können aber gerne noch Bekannte bleiben.“ Oder melde ich mich einfach nicht mehr? Und was mache ich, wenn ich kontaktiert werde? Ignorieren? Schweigen? Ist das nicht feige?

    Ich fühle mich da in einem Zwiespalt. Es gibt da diese eine Person, die mir sehr geholfen hat und dafür bin ich sehr dankbar. Aber inzwischen strengt es mich sehr an mit ihr Kontakt zu halten. Ich bin von ihr genervt und sie triggert mich mit ihrem Verhalten. Denn mit der Zeit merkte ich, wie sehr sie mich an meine Schwester erinnert, die immer mehr wie meine Mutter wurde.

    Es ist so, dass ich mein ganzes Leben von meiner Mutter genervt war und das hat mit der Person, um die es mir gerade geht, nichts zu tun. Aber trotzdem kann ich das nicht trennen.

    Mein Mann sagte, ich soll mich nicht mehr bei ihr melden und mit der Zeit trennen sich die Wege. Und im Moment denke ich, dass das eine Option ist. Denn was soll ich denn dieser Person sagen? „Du erinnerst mich an meine Mutter und ich halte das nicht aus.“

  • Mein Jahresrückblick 2018

    Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war Dein Jahr?
    Diese Frage beantworte ich wieder nicht.

    Zugenommen oder abgenommen?
    Abgenommen.

    Haare länger oder kürzer?
    Kürzer.

    Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
    Weder noch.

    Mehr Geld oder weniger?
    Weder noch.

    Mehr ausgegeben oder weniger?
    Weniger.

    Der hirnrissigste Plan?
    Dieses Jahr schreibe ich meine Bachelor-Arbeit.

    Die gefährlichste Unternehmung?
    Hier habe ich leider nichts zu bieten. Ich denke, dass das Leben an sich schon gefährlich genug ist, so dass ich mich nicht noch zusätzlich in Gefahr bringe.

    Das leckerste Essen?
    Plätzchen, die mein Sohn gebacken hat. Ich liebe Plätzchen!

    Das beeindruckendste Buch?
    Im Keller von Jan Philipp Reemtsma. In der ersten Jahreshälfte hatte ich die Idee meine Bachelor-Arbeit darüber zu schreiben, die zweite Jahreshälfte brauchte ich, um die Idee wieder zu verwerfen. Unbedingt zu empfehlen ist das Buch Wir sind dann wohl die Angehörigen von Johann Scheerer, das die Zeit der Entführung aus der Perspektive des Sohnes beschreibt. Ich glaube oder vielleicht hoffe ich auch nur, dass es noch ein drittes Buch geben wird – geschrieben aus der Perspektive der Ehefrau bzw. Mutter.

    Der ergreifendste Film?
    Schande.

    Die beste Serie?
    Hap and Leonard.

    Die beste CD?
    Dieses Jahr habe ich wenig neue Musik gehört.

    Das schönste Konzert?
    Ich war dieses Jahr leider nur bei wenigen Konzerten. Bei einem Jazzkonzert mit meinem Sohn, dass leider nur so mittel war. Und bei zwei oder drei Konzerten für Kinder, die zwar sehr schön waren, aber eben eher für meine Kinder. Aber immerhin habe ich zwei Mal die WDR Big Band gehört, erstklassig.

    Die meiste Zeit verbracht mit…?
    meinen Kindern.

    Die schönste Zeit verbracht mit…?
    meiner Familie und Freundinnen.

    Vorherrschendes Gefühl 2018?
    Zufriedenheit.

    2018 zum ersten Mal getan?
    Inneren Frieden gefunden, Dinge endgültig abgeschlossen und sich damit gut gefühlt.

    2018 nach langer Zeit wieder getan?
    Sommerrodelbahn gefahren.

    3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
    Hausaufgaben (der Kinder)
    Hypotonie
    Hitze

    Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
    Hausaufgaben machen Spaß. Ich habe meine Hausaufgaben wirklich gerne gemacht und finde es sehr ungerecht, dass ich das keinem meiner Kinder vererbt habe. Die Begeisterung hat bei mir zwar mit den Jahren abgenommen, aber ich habe die Aufgaben einfach erledigt.
    In der weiterführenden Schule habe ich die Lösungen meiner Freundin nachmittags diktiert, habe ihre Hefte dann mit nach Hause genommen und sie abends abgeschrieben. Da ich in der Zeit auch öfter „krank“ Zuhause geblieben bin, kam meine Freundin regelmäßig in der Schulpause, um ihre Hefte zu holen… Öhm, das dürfen meine Kinder natürlich nicht erfahren. Ja, denn natürlich fand ich Schule insgesamt einfach blöd, aber die Hausaufgaben habe ich trotzdem erledigt.

    Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
    Ich habe das Hörbuch Ein Sommer, der bleibt. Peter Kurzeck erzählt das Dorf seiner Kindheit verschenkt, das mich sehr beeindruckt und beschäftigt hat.

    Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
    Zeit.

    Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
    Ich habe Kuchen da. (Nein, keine Ahnung. So was müsste ich mir aufschreiben.)

    Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
    Auch wenn ihr mich verrückt macht, werde ich euch immer lieben. (Crazy in love.)

    Besseren Job oder schlechteren?
    Weder noch.

    Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?
    Nein, nichts gewonnen.

    Mehr bewegt oder weniger?
    Mehr.

    Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?
    Keine Ahnung, das zähle ich nicht. Es war jedenfall nichts ernstes dabei.

    Davon war für Dich die Schlimmste?
    Das Schlimmste waren die Zahnschmerzen.

    Dein Wort des Jahres?
    Mitgefühl.

    Dein Unwort des Jahres?
    Dummheit.

    Dein Lieblingsblog des Jahres?
    Maultaschen oder Ravioli

    Dein größter Wunsch fürs kommende Jahr?
    ENDLICH meine Bachelorarbeit schreiben.

    2018 war mit 1 Wort…?
    2018.

    Mein Jahresrückblick 2017

    Mein Jahresrückblick 2016

  • Der Traum

    Das Grundmotiv fast aller meiner Träume: Ich muss irgendwo hin und komme niemals an.

    Heute habe ich geträumt, dass ich mit einer Freundin zum Essen verabredet bin. Auf dem Weg dorthin tauchen aus dem Nichts meine beiden älteren Kinder auf und begleiten mich. Am Wegesrand liegt meine Freundin, bewusstlos. Ich denke, dass aus der Verabredung dann wohl nichts wird und will umkehren, um Hilfe zu holen. Meine Kinder sind nicht mehr bei mir, dafür begleiten mich zwei geflüchtete Kinder aus Syrien. Am Horizont tauchen Kampfjets auf und beginnen zu schießen. Ich denke, das ist jetzt gar nicht gut, das kann die zwei Kinder retraumatisieren. Wir begeben uns in ein Hotel, da wir hier Urlaub machen. Während draußen der Krieg herrscht, überlege ich, ob ich beginnen soll die Schmutzwäsche einzupacken, da wir doch morgen abreisen. In dem Moment weckt mich mein Mann.

    Während ich träume, wunder ich mich nie darüber, was gerade passiert. Ich bin so sehr in der Situation, dass ich alles hinnehme, ohne mir darüber Gedanken zu machen. Völlig emotionslos.

    Dafür bin ich drei Stunden später immer noch verwirrt. Wie krass, dass ich beginnen will, die Wäsche einzupacken… Total absurd!

  • Verbindungen – Auch Felsen haben eine Belastungsgrenze

    Im Dezember 1998 verreiste ich mit meinen Eltern und meiner Schwester nach Gozo (die Nachbarinsel von Malta). Das war zu einer Zeit, zu der ich zu meinen Eltern nicht „Nein.“ sagen konnte. Obwohl ich mich nicht erinnern kann, muss es folgendermaßen gewesen sein (weil es eigentlich immer so war). Mein Vater entwickelt eine Idee, die ihn total begeistert, erzählt sie mir erwartungsvoll und ich schaffe es nicht „Nein!“ zu sagen. Meine Eltern lieben es zu reisen und sie lieben es, gut zu essen und davon anschließend sehr ausschweifend zu erzählen. Ich mag das gar nicht, habe das aber nie gesagt.

    So begab es sich also zu der Zeit, dass wir gemeinsam mit Malta Air nach Malta flogen. Von Malta flogen wir per Helikopter nach Gozo. (Der Flug war schrecklich für mich!) Ich war 20 Jahre alt, meine Schwester 23 Jahre. Ich frage mich, warum sie uns überhaupt mitnehmen wollten. Ja, ok, sie dachten, dass ich gerne mitfahre, aber meine Eltern waren 50 Jahre alt. Hätten sie nicht einfach alleine verreisen können? Jedenfalls war vor fast 20 Jahren auf Gozo zwischen den Feiertagen absolute tote Hose und es war sehr, sehr kalt. In meiner Traumvorstellung ist es auch im Winter auf einer Mittelmeerinsel warm… ja, ja, hätte ich auch wissen können, dass das nicht so ist… Es war aber bestimmt ein besonders kalter Winter auf Gozo oder die Stimmung war einfach frostig…

    Und es war einfach nur langweilig! Ich war seit knapp 9 Monaten mit meinem Mann zusammen und ich vermisste ihn schrecklich. Langeweile und Herzschmerz. Und Urlaub mit den Eltern. Es war wirklich schon alles schlimm, aber meine Eltern haben ja noch eine weitere Leidenschaft: ausgedehnte Spaziergänge, es wurde also schlimmer. Sie schlugen vor, dass wir zum Felsentor „Azure Window“ spazieren könnten. Ich stellte mir also eine entspannten Spaziergang zum Felsentor vor und wir gingen los. Und wir gingen und gingen und gingen. Ich muss offen gestehen, dass ich für Naturschauspiele wirklich keinerlei Leidenschaft entwickeln kann. Da passiert bei mir nix, es gibt Menschen, die behaupten, ich wäre nicht begeisterungsfähig. Das stimmt aber gar nicht, ich begeistere mich für andere Dinge. Also, kurz gesagt: ein Felsentor ist für mich so beeindruckend wie ein Gartentor. Inzwischen gingen wir nicht mehr, wir irrten durch die Gegend und wir froren. In meiner Erinnerung stundenlang. Es entwickelte sich zu einem typischen Familienspaziergang. Die Eltern genießen die Natur und die Kinder sind maulig, mit dem Unterschied dass die mauligen Kinder normalerweise nicht bereits volljährig sind.

    Die Stimmung war absolut am Tiefpunkt (bei den unter 50-jährigen) und auch der Anblick des Felsentors konnte daran nichts ändern. „Oh, toll. Steine. Toll. Die kann ich mir auch Zuhause angucken.“ Meine Eltern waren im Gegensatz dazu absolut begeistert und haben sich alles ganz genau angeschaut, sehr lange.

    Meine Eltern haben keinerlei Antennen für die Stimmung anderer, das ist tatsächlich so. Wenn es mir also immer schwer fiel, meinen Eltern zu sagen, wie es mir geht, musste ich an diesem Tag wirklich kein Wort sagen, damit sie hätten sehen können, dass ich komplett abgefuckt war. Meiner Schwester ging es ähnlich. Sie waren wahrscheinlich so berauscht von diesem Naturspektakel, dass sie ernsthaft sagten, dass wir jetzt zurückgehen könnten. Gehen! Zu Fuß!!!! Ich habe mich das sehr oft gefragt, aber dort am Felsentor besonders eindrücklich: „Was stimmt mit meinen Eltern nicht?“

    Ich weiß nicht mehr, was wir gesagt haben, aber meinen Eltern wurde klar, dass wir nicht den ganzen Weg zurückgehen werden. Wir sind in den nächsten Ort gegangen, wo wir etwas gegessen haben, und mein Vater es schaffte, jemanden aufzutreiben, der bereit war uns zurückzufahren. (Ich weiß, dass es kein Taxifahrer war, leider habe ich die Details vergessen.)

    Danach bin ich nicht mehr „alleine“ mit meinen Eltern in Urlaub gefahren, ich habe meinen Mann mitgenommen. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Aber trotzdem war es jedes Mal wahnsinnig anstrengend mit meinen Eltern zu verreisen und es ist für mich heute erstaunlich, dass ich das so oft gemacht habe.

    Ich hätte es schön gefunden, mit meinen Eltern ins Kino zu gehen, denn das war etwas, was wir alle gerne gemacht haben.

    Wie ich jetzt auf Gozo komme? Ich habe bei Fräulein Kassandra gelesen, dass das „Azure Window“ eingestürzt ist. So, ist das. Durch ständige Belastung zerbrechen Verbindungen. Das gilt für Felsentore sowie Eltern-Kind-Beziehungen.

  • Das Seminar und ‚Das Röcheln der Mona Lisa.‘

    Im Dezember habe ich ein Seminar zum Thema „Hörspiel“ besucht. Offen gesagt, ich interessiere mich inzwischen nicht mehr besonders für Hörspiele und höre sie nur noch regelmäßig, abends im Bett, um besser einzuschlafen (da meine Gedanken so schön wegdriften). Der Grund für die Teilnahme war, dass es von dem Prof geleitet wurde, bei dem ich im März eine mündliche Prüfung haben werde. Andernfalls hätte ich ihn erst am Tag der Prüfung persönlich kennengelernt.

    Schon bei der Vorstellungsrunde merke ich sehr deutlich, dass ich die einzige bin, die das Seminar pragmatisch angeht. Die anderen Teilnehmer*innen sind dermaßen begeistert. Eine Teilnehmerin hat jahrelang ehrenamtlich im Bürgerfunk gearbeitet, eine andere hat tatsächlich eine Ausbildung zur Sprecherin absolviert, ein Teilnehmer brennt regelrecht für das Thema und erscheint mir als Experte in dem Gebiet. Als ich an der Reihe bin und den Grund meiner Teilnahme erklären soll, bleibe ich einfachhalber bei der Wahrheit und sage, dass ich den Seminarleiter vor der Prüfung persönlich kennenlernen wollte und ich erzähle, wie meine Kinder reagiert haben, als ich mit ihnen gemeinsam „Das Röcheln der Mona Lisa“ zur Seminarvorbereitung gehört habe. (Unbedingt reinhören, es lohnt sich!)

    Das Seminar verläuft in gewohnten Bahnen. Wie fast immer gibt es auch den allwissenden Spezialisten bzw. die allwissende Spezialistin unter den Teilnehmer*innen. Ich kann ihre Wortmeldungen nur mit einem inneren Augenrollen quittieren, inhaltlich ist das, was sie sagt, durchaus interessant, aber diese Art und Weise. In der Kaffeepause gerate ich mit ihr ein wenig aneinander und ich wundere mich darüber, wie sehr mich jemand aufregen kann, den ich eigentlich gar nicht kenne. Ich nehme mir vor an den beiden folgenden Tagen nicht mehr mit ihr zu reden. Es ist für uns beide besser so.
    Am Ende des zweiten Seminartages wird das Hörspiel vorgestellt, das wir am nächsten Tag gemeinsam aufnehmen werden. Die Sprechrollen sollen anschließend verteilt werden. Die allwissende Spezialistin beginnt zu kokettieren, alles sehr dramatisch. „Nein, ich werde keine Rolle übernehmen. Nein, meine Stimme ist komplett ungeeignet. Nein, ich nicht.“ Usw. usw. Ich will nicht mehr. Wir haben bereits überzogen und ich bin nur von ihr nur noch genervt. Ich melde mich zu Wort und frage in die Runde, ob wir die Rollen nicht einfach auslosen sollen. Der Vorschlag wird angenommen. Ich ziehe „Stimme 3“. Wir lesen das Manuskript zwei Mal mit verteilten Rollen und schon zu diesem Zeitpunkt hätte das auffallen können, was erst am nächsten Tag ausgesprochen wird.

    Am dritten Seminartag treffen wir uns im Tonstudio, das nicht dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Es soll im nächsten Monat modernisiert werden, was wirklich überfällig ist. Mich erinnert das an die Zeiten, in denen ich mit meiner Schwester Zuhause mit dem Kassettenrekorder Radiobeiträge aufgenommen habe, vor über 30 Jahren. Wir haben sehr viel gelacht und das mache ich auch an diesem Tag im Tonstudio. Es macht sehr viel Spaß gemeinsam mit den anderen hier zu sein und die Sätze einzusprechen. Zwei Tage zuvor kannten wir uns gar nicht und jetzt fühlen wir den „Gemeinschaftsspirit“, der zwischen uns entsteht. Ich finde es aufregend und habe das Gefühl, dass ich das fürs erste Mal richtig gut mache.

    Dann fällt es auf. Eine Teilnehmerin hat keine Rolle. Sie hatte sich am Vortag nicht gemeldet. Sie winkt ab. „Nein, alles gut. Ich brauche keine eigene Sprechrolle.“ Aber wir anderen sind der Meinung, dass sie natürlich auch einen Teil übernehmen soll. Es wird kurz überlegt, was gemacht werden kann. Der Aufnahmeleiter entscheidet. „Sie übernehmen die Stimme 3.“

    „Ach, das bin ja ich!“, geht mir durch den Kopf. Ich versuche mich mit dem Gedanken zu trösten, dass ganz bestimmt wenigstens einen Satz, den ich eingesprochen habe, im fertigen Hörspiel zu hören sein wird. Denn die Teilnehmerin, die nun ein zweites Mal „meine“ Sätze einspricht, ist die oben genannte, die eine Ausbildung zur Sprecherin gemacht hat. Und ja, sie macht das wirklich ganz hervorragend, ja, sie macht das wirklich wesentlich besser als ich.

    Ich fühle mich richtig mies. Hätte ich nicht vorgeschlagen, die Rollen auszulosen, hätten wir darüber diskutiert und es wäre sehr schnell klar gewesen, dass eine Rolle fehlt. (Ja, klar, hätte der Seminarleiter die Teilnehmer*innen richtig gezählt, wäre das ganze überhaupt nicht passiert.) Ich fühle mich immer noch mies.

    An Weiberfastnacht kriegen wir den Link zum fertigen Hörspiel per Mail zugeschickt. Und obwohl ich es schon wissen könnte, trifft es mich viel mehr, als es sollte oder als ich es für möglich gehalten habe – kein Satz, den ich eingesprochen habe, ist zu hören. Es ist das eine nicht ins Team gewählt zu werden, aber es ist für mich so enttäuschend, so bitter in einem Team gewesen zu sein und dann… weg… gelöscht… (Ich stelle mir ein Gruppenfoto vor, von dem ich wegretuschiert wurde. )

    Es gibt viele Dinge, die ich in der Vergangenheit vermieden habe, um Enttäuschungen aus dem Weg zu gehen. Ich hätte mich beispielwiese nicht zu einem Seminar angemeldet, bei dem ein Hörspiel produziert wird. Jetzt frage ich mich, wie kann ich mit dieser Enttäuschung umgehen. Ich bin nicht bereit, in Zukunft wieder auf etwas zu verzichten, aber was mache ich jetzt?

    Ich ringe mich dazu durch eine E-Mail zu schreiben. Ich will, dass der Aufnahmeleiter von meinem Gefühl der Enttäuschung weiß. Ich schreibe ihm also davon, ohne Vorwürfe zu formulieren, ohne Ironie oder ähnliches. Und er antwortet mir tatsächlich. Ich bin aber immer noch enttäuscht, stecke so sehr darin fest, dass ich seine Antwort so interpretiere, dass ich eben zu schlecht war, dass es schon okay war, meine Aufnahmen zu löschen. Er schreibt, dass es mich damit trösten soll, in den Credits namentlich genannt zu werden.

    Nein, das tröstet mich gar nicht, das macht es gerade nur noch schlimmer. Ich war zu schlecht, um es ins Hörspiel zu schaffen, werde aber genannt. Toll. Ich merke, dass mich das zu sehr mitnimmt und mir wird klar, dass ich gar nicht weiß, wie ich mit Enttäuschung umgehen soll, mir fehlt die Erfahrung.

    Rational ist mir das klar, aber emotional bin ich noch meilenweit von einer Lösung entfernt. Das wird sich ändern, das weiß ich auch, aber so fühlt es sich nicht an.

  • Mein Jahresrückblick 2017

    Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war Dein Jahr?
    Ich halte nichts davon, ein Jahr zu bewerten. Es gab sicherlich bessere Jahre in meinem Leben, aber jetzt in diesem Moment, bin ich zufrieden und das ist, was für mich zählt.

    Zugenommen oder abgenommen?
    Zugenommen.

    Haare länger oder kürzer?
    Kürzer.

    Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
    Weder noch.

    Mehr Geld oder weniger?
    Weniger.

    Mehr ausgegeben oder weniger?
    Mehr.

    Der hirnrissigste Plan?
    Ich schaffe das alleine.

    Die gefährlichste Unternehmung?
    Die gefährlichste Unternehmung steht mir bevor. Ich fahre mit meinen Töchtern am 3. Januar in Mutter-Kind-Kur. Ich weiß, dass ich gute Gründe hatte, sie zu beantragen, ich kann mich aber gerade nicht an sie erinnern. Nach meinen Erfahrungen mit der Reha 2014 überwiegt momentan ein starkes Unbehagen, wenn ich an die Mutter-Kind-Kur denke.

    Die teuerste Anschaffung?
    Ein Notebook.

    Das leckerste Essen?
    Weihnachtsplätzchen.

    Das beeindruckendste Buch?
    Überlebensglück von Oskar Negt
    Nussschale von Ian McEwan
    Ich habe im März Lesungen von Oskar Negt und Ian McEwan besucht. Oskar Negt hat mich nachhaltig beeindruckt.
    Der Prozess und Die Verwandlung von Franz Kafka

    Der ergreifendste Film?
    Nicht alles schlucken – Ein Film über Krisen und Psychopharmaka. Sehr empfehlenswert!
    Der Dunkle Turm.

    Die beste Serie?
    Hap and Leonard

    Die beste CD?
    Hidden Beauty von Triosence

    Das schönste Konzert?
    Joey Alexander im Grillo Theater Essen
    Triosence im Pantheon Theater Bonn

    Die meiste Zeit verbracht mit…?
    meinen Kindern.

    Die schönste Zeit verbracht mit…?
    meiner Familie und Freundinnen.

    Vorherrschendes Gefühl 2017?
    Sehnsucht.

    2017 zum ersten Mal getan?
    Alleine gewohnt.

    2017 nach langer Zeit wieder getan?
    In unser Haus gezogen.

    3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
    Schulprobleme.
    Orientierungslosigkeit.
    Zweifel.

    Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
    Mich davon, dass ich mit mir und meinem Leben zufrieden sein kann.

    Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
    Verbündete: Ein Handbuch für Partnerinnen und Partner von Überlebenden sexueller Gewalt. (Nicht das schönste, aber ein sehr, sehr wichtiges.)

    Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
    Dasein, zuhören und Hilfe anbieten.

    Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
    „Komm, lass es uns den Kindern sagen.“

    Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
    „Ich liebe dich.“

    Besseren Job oder schlechteren?
    Weder noch.

    Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?
    Ein Schnittmuster.

    Mehr bewegt oder weniger?
    Weniger.

    Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?
    Mehrere Erkältungen.

    Davon war für Dich die Schlimmste?
    Erkältungen sind nervig, aber nicht schlimm.

    Dein Wort des Jahres?
    Vertrauen.

    Dein Unwort des Jahres?
    Grundschule.

    Dein Lieblingsblog des Jahres?
    READ ON MY DEAR, READ ON.

    Dein größter Wunsch fürs kommende Jahr?
    Ein Thema für meine Bachelorarbeit finden und sie schreiben.

    2017 war mit 1 Wort…?
    Turbulent.

    Mein Jahresrückblick 2016

  • Skeptizismus

    Ich schreibe an einer Hausarbeit. Eigentlich… Denn ich schiebe das Schreiben vor mir her. Studieren zu können ist für mich traumhaft, aber Hausarbeiten sind ein Albtraum. Bisher habe ich nicht verstanden, warum das so schwer für mich ist. Vielleicht gibt es keinen Grund… oder die Qualen gehören für mich zum Schreiben dazu. Und wenn ich an meiner Arbeit nicht weiterkomme, dachte ich mir, kann ich hier etwas schreiben, was mir ebenfalls nicht einfach fällt. Die Worte aus meinem Kopf zu bekommen, ist tatsächlich häufig wie eine Art Kopfgeburt.

    Das heutige Thema Skeptizismus – meine Gedanken, meine Erfahrungen, meine Schwierigkeiten.

    Meine Tochter fragte mich: „Mama, woher weiß ich, dass die anderen Menschen keine Roboter sind?“ Ich liebe es, wenn meine Kinder solche Fragen stellen. Meine Antwort: „Das ist eine sehr gut Frage! Du kannst immer nur von dir selbst mit Sicherheit etwas wissen. Du weißt, dass du ein Mensch bist. Du weißt, dass du Gefühle hast. Aber was andere Menschen denken, was sie fühlen, wie sie fühlen, dass kannst du nicht wissen. Aber du hast sehr viel Mitgefühl und du kannst dir das alles vorstellen. Du kannst mitfühlen. Wenn du ein Kind siehst, das weint, dann kannst du erkennen, ob es dies aus Freude oder Traurigkeit tut und du kannst es nachfühlen. Glaube daran, dass alle Menschen Menschen sind.“

    Ich bin aufgrund meiner Kindheit viel zu lange in meinem Leben eine Zweiflerin, eine Skeptikerin gewesen.

    „Der Skeptizismus ist nicht die Entdeckung einer Unzulänglichkeit des menschlichen Wissens, sondern die Entdeckung der Unfähigkeit, den anderen anzuerkennen.“ (aus: Wo ich ende und du beginnst: Getrenntheit und Andersheit bei Stanley Cavell von David Gern, Seite 121)

    Ich habe nie an dem Gefühl gezweifelt, nicht gut genug zu sein. Ich war mir sicher, dass es viele Gründe gibt, mich nicht mögen zu können. Es war sehr einfach zu glauben, dass ich nicht ausreiche. Es ist mir schwer gefallen, Vertrauen zu haben. Ich habe es trotzdem geschafft, Menschen zu finden, denen ich vertraue. Das war aber bei jedem einzelnen ein langer Weg. Ein Abwegen, ein Prüfen. Kann ich das Risiko eingehen, mich diesem Menschen zu öffnen? Es war mir oft unbegreiflich, dass dort ein Mensch ist, der mich mag, so wie ich bin. Und es war ein Kampf mir einzugestehen, dass ich diesen Menschen auch mag.

    Die bereichernste Erfahrung war die Geburt meines Sohnes. Das erste Mal in meinem Leben liebte ich, einfach so. Da war kein Zweifel, kein Kampf, kein Hinterfragen. Und die glücklichsten Momente waren die Geburten meiner Töchter, die ich auch vom ersten Moment liebte. Einfach so. Bedingungslos.

  • Meine Therapie-Erfahrungen Teil 1

    Ich habe eine Hausarbeit einer jungen Studentin gelesen, die sich u.a. mit dem Thema beschäftigt, wie Psychotherapie in Filmen dargestellt wird. Sie verweist auf eine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Darstellungen keinen Bezug zur heutigen Realität haben. Die Heilung eines von einer psychischen Erkrankung Betroffenen erfolgt in Filmen entweder durch Liebe oder Katharsis. Im ersten Fall verlieben sich TherapeutIn und PatientIn und die Heilung erfolgt durch die Liebe zueinander. Im zweiten Fall kehren plötzlich die Erinnerungen des Patienten/ der Patientin an ein traumatisches Erlebnis dank des Therapeuten/ der Therapeutin zurück. Der Patient/ die Patientin ist damit direkt geheilt. (Als Beispiel fällt mir gerade der Film Herr der Gezeiten ein.)

    Diese Darstellung in Filmen prägt unbewusst die Vorstellungen und Erwartungen, die der Zuschauer/ die Zuschauerin von einer Therapie und deren Verlauf entwickelt.

    Vor ca. 4 Jahren und 6 Monaten las ich einen Spruch, so ähnlich wie der im Header. Ich war fest entschlossen, etwas in meinem Leben zu ändern und hatte die Erwartung, dass diese Änderungen schnell sichtbar werden würden. Ich hatte die Vorstellung, dass allein der Entschluss etwas zu ändern, ausreicht um „diese Gefühl“ nie wieder zu haben. Was passierte tatsächlich? Ich setzte mich mit dieser Erwartung noch stärker unter Druck, dass ich es alleine schaffen werde, mein Leben zu ändern. Es ging mir mit der Zeit immer schlechter.

    Es dauerte weitere Monate bis ich im August 2013 zu meinem Hausarzt ging, um mit ihm über die Möglichkeiten einer Psychotherapie zu sprechen. Ich weiß noch genau, wie schlecht es mir im Wartezimmer ging, weil ich Angst hatte, dass er mich nicht ernst nehmen würde, dass er mich wegschickt. Ich empfand es als Niederlage, es nicht alleine zu schaffen. Es war unsagbar schwer für mich, zugeben zu müssen, dass ich Hilfe brauche. Und das ist alles furchtbar! Das ist so einfach absolut falsch! Angst davor zu haben, nach Hilfe zu fragen, ist einfach nicht richtig! Ein Hausarzt/ eine Hausärztin, der seinen Patient/ seine Patientin nicht ernst nimmt, ist kein guter Hausarzt/ keine gute Hausärztin! That’s it!

    Mein Hausarzt gab mir eine Verordnung und die Telefonnummer der Zentralen Informationsbörse Psychotherapie, die darüber Auskunft geben kann, welche Praxis über freie Kapazitäten verfügt.

    Am 3. September 2013 hatte ich das Erstgespräch bei der Therapeutin, über die ich bereits hier geschrieben habe. Leider war sie als Therapeutin für mich absolut ungeeignet und ich brauchte anschließend lange Zeit, um den Mut für eine zweite Therapie zu sammeln.

    Was will ich damit eigentlich sagen? Es braucht Zeit. Ich habe 36 Jahre lang „diese Gefühle“ gehabt und es dauerte 4 Jahre und 3 Monate bis ich merkte, dass sie sich gelöst haben. Heute mit 40 Jahren weiß ich das. Mein Entschluss stand am Anfang, erst danach waren für mich Veränderungen möglich. Langsam, nach und nach.

    Auch wenn die Medien und das persönliche Umfeld suggerieren, dass eine plötzliche Heilung möglich ist, zeigt dass nicht die Realität.

  • Scheinriese

    Vor kurzem war ich auf einem Jazz-Konzert. Mich interessierte der Auftritt des Hauptacts und ich war absolut begeistert davon. Der Opener war das Tamara Lukasheva Quartett, dessen Musik auch gut war, aber mich nicht mitgerissen hat. Die Musikerin und Sängerin Tamara Lukasheva erzählte zu jedem der Lieder ihre Gedanken.

    Sie erzählte von einem Besuch in ihrer Heimatstadt Odessa. Dort steht ein Fabrikgebäude, das ,seitdem sie sich erinnert, nie in Betrieb war und weitgehend unverändert geblieben ist. Sie sagte, dass sie sich in diesem Gebäude gesucht hat, aber was sie fand, war ein anderes Ich, ein Ich aus der Vergangenheit, ein Ich, das es nicht mehr gibt.

    In dem Haus, in dem ich die ersten 12 Jahre meines Lebens aufgewachsen bin, hatte ich 20 Jahre nicht mehr gesehen. Das Haus neben der Kirche. Es gab in den letzten 20 Jahren keinen Grund dort hin zu fahren, ich habe den Ort nicht bewusst gemieden.

    Am Wochenende sind wir an diesen Ort gefahren. Auf dem Weg erklärte ich den Kindern, dass mich die Erzählung der Musikerin auf diesen Gedanken gebracht hatte.
    Ich zeigte den Kindern das Haus, zeigte auf das Fenster, das das Fenster meines Zimmers war. Ich sagte Dinge wie „Hier war das Wohnzimmer.“ und „Hier war das Elternschlafzimmer.“ und „Das Kirchengebäude sieht aus wie früher.“ und „Hier war unsere Terrasse.“ und sehr oft „Ist das alles klein.“

    Wir sind zum Spielplatz hinter dem Haus gegangen. Ich habe ihnen das Haus gezeigt, in dem mein bester Freund wohnte. Und immer wieder der Gedanke, dass das alles so klein ist.

    Meine Tochter fragte mich: „Mama, was hast du gefunden?“ Meine Antwort: „Nicht mich.“ Ich habe viele Erinnerungen gefunden und erzählte, die Geschichte mit der Blindschleiche und wie mich der Pastor dabei ertappte, wie ich die Blütenblätter der Mohnblume abgezupft hatte. Ich dachte an die Kirschbäume, auf die mein Vater geklettert war. An das Schlittenfahren.

    Es war gut, an diesen Ort zu fahren, um zu sehen, wie klein das tatsächlich alles ist.

    Lesenswert in diesem Zusammenhang ist die Geschichte vom Scheinriesen Herr Tur Tur.