Ich habe das sicherlich schon mal irgendwann geschrieben, würde es aber auf Anhieb hier nicht finden. Meinen Eltern war es immer sehr wichtig, dass wir nach Außen wie eine glückliche Familie wirkten. Sehr wichtig, um diesen Anschein aufrecht zu erhalten, war ihnen Familienurlaub. Familienurlaub scheint eine besonders große Rolle im Glückliche-Familie-Theater zu spielen. Vielleicht fahre ich heute deswegen sehr ungern in Urlaub, vielleicht auch nicht, weiß ich nicht.
Jedenfalls erinnere ich mich an angespannte Stimmung und gespielte Fröhlichkeit an verschiedenen Orten der Welt. Ein Ortswechsel ändert nichts an der Familie, außer wir besuchten Verwandte, denn dann änderte sich (irgendwie jedenfalls) die Familienkonstellation, aber es war immer noch genauso sch… manchmal auch noch beschissener.
Meine Eltern waren nie davon abzubringen, dass ein Familienurlaub eine spitzenmäßige Idee ist.
So kam es dann im Jahr 1990, dass wir alle zusammen zuerst die Familie meine Schwägerin in Paris besuchten und im Anschluss zwei Wochen in der Bretagne waren. Ich höre schon das Seufzen. „Ach, die Bretagne, wie schön.“ Ja, also, schon auch, aber mit meiner Familie, wie schon gesagt: NEIN!
Mein Bruder und meine Schwägerin hatten im Dezember geheiratet und meine Schwägerin war bei Antritt der Reise hochschwanger. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre hochschwanger mit meinen Eltern verreist… Nein, besser nicht vorstellen.
Meine Schwägerin – inzwischen die Ex-Schwägerin – ist Schwarz. Das erwähne ich, weil es für das folgende wichtig ist. Meine Mutter ist selbtherrlich, das erwähne ich, weil es die Wahrheit ist und erklärt, warum mich meine Mutter mein ganzes Leben so genervt hat. Meine Mutter ist toxisch und narzistisch. Ihre Wahrnehmung ist so verdreht, dass ich es nicht aushalten kann.
Wir sind mit zwei Autos gefahren. Ein schwarzer Polo und vermutlich ein roter Golf. Wichtig ist zu verstehen, dass diese Autos 1990 Kleinwagen waren, sie waren klein. Wir waren zu 7 unterwegs, 5 Erwachsene – davon eine hochschwanger, und 2 Teenagerinnen, wobei – ich war noch 12, aber so genau muss es ja eigentlich nicht sein.
In meiner Erinnerung bin ich die meiste Zeit im Polo gewesen, den mein Vater gefahren hat. Den Golf steuerte meine Mutter. Irgendwann auf dieser Reise kam es zu einer Diskussion, es waren vermutlich viele Diskussionen, aber ich weiß nur von der einen. Denn meine Mutter, die weiß einfach alles, und sie weiß es auch alles besser. Es gibt wirklich kaum etwas nervigeres, als mit meiner Mutter zu diskutieren. Sie ist windig wie ein Wurm, ihr Fähnlein weht so wechselhaft im Wind, dass jedem schwindelig wird, außer ihr natürlich, denn ganz ohne Zweifel steht für immer und ewig fest: Sie hat Recht, immer. Wenn sie nicht Recht hat, hat sie trotzdem Recht. Ende.
So kam es also dazu, dass meine Mutter meiner Schwägerin sehr genau erläuterte, warum sie als N* bezeichnet werden darf. Denn dieses Wort hätte ja nichts mit Rassismus zu tun, denn die ursprüngliche Wortbedeutung … und zudem ist es auch … und ich weiß das … und auch wenn du das ablehnst, werde ich das immer noch sagen dürfen und zwar … (Ich möchte keine ungültigen Argumente wiedergeben, aber die meisten werden wissen, wie solche Belehrungen formuliert werden.)
Ja, und das sprengte dann auch die Grenzen meiner Vorstellungskraft. Meine Mutter setzte neue Maßstäbe für gelebte Ignoranz! Mit 12 Jahren wusste ich, dass meine Mutter nicht Recht hatte. Das war ja nun nicht das erste Mal, dass ich das erlebte, aber dass sie so überheblich sein konnte, das war für mich erschreckend und beschämend.
Es ist nicht „überliefert“, was mein Bruder dazu sagte oder ob mein Vater sich positionierte. Alles sehr erbärmlich.
Ich glaube, dass jede*r eine Person in seinem Umfeld haben sollte, die bei passender Gelegenheit ganz klar und deutlich sagt: „Jetzt halt einfach mal deine Fresse! Bei diesem Thema sei einfach ruhig.“
Schreibe einen Kommentar