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  • Was machst Du eigentlich den ganzen Tag? WMDEDGT? 01/17

    Frau Bruellen fragt wie an jedem 5. des Monats „Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?“ und ich beantworte diese Frage heute zum ersten Mal.

    00:00 Uhr
    Obwohl ich mir vorgenommen habe, wieder pünktlicher zu Bett zu gehen, um morgens früher aufzustehen, gelingt mir das (wieder) nicht. Am Montag beginnt die Schule und wir müssen pünktlich aufstehen.

    01:00 Uhr
    Ich schlafe ein.

    03:00 Uhr
    Ich wache auf, weil meine Tochter zur Toilette geht. Daraufhin wechsele ich das Zimmer, da mein Mann schnarcht und ich nicht wieder einschlafen kann.

    06:40 Uhr
    Der Wecker klingelt und ich drücke so oft auf die Snooze-Taste, bis der Wecker letztlich nicht mehr klingelt.

    08:51 Uhr
    Ich werde wach und stehe auf.

    Ich mache mir einen Kaffee und setze mich auf die Couch. Meine Tochter und mein Sohn kommen dazu. Die Jüngste hat bei meinen Eltern übernachtet. Wenn sie zurückgebracht wird, werden meine Eltern meinen Sohn für eine Übernachtung mitnehmen und so ist er sehr gut gelaunt. Mein Mann steht auch auf und wir frühstücken gemeinsam.

    10:45 Uhr
    Ich gehe nach oben und verstecke mich vor meinen Eltern, weil ich sie nicht sehen will. Von meinem Sohn habe ich mich bereits verabschiedet und ihm viel Spaß gewünscht. Ich freue mich darüber, dass meine Kinder ein so gutes Verhältnis zu ihren Großeltern haben. Dass ich mich vor ihnen verstecke, kotzt mich an. Schwierig.

    Meine Jüngste kommt zu mir und erzählt davon, was sie erlebt hat. Sie hat sich im Ein-Euro-Laden ein kleines Schminkköfferchen von meinen Eltern kaufen lassen. So wie ihre Schwester am Tag zuvor. Die beiden holen ihre Schminkpuppen, die sie ebenfalls von meinen Eltern bekommen haben, und sind für eine Stunde intensiv mit ihren Puppen und der Schminke beschäftigt.

    In der Zeit sortiere ich Unterlagen am Rechner und prokrastiniere so vor mich hin. Ich hätte schon längst mit den Vorbereitungen auf eine mündliche Prüfung im Februar beginnen müssen.

    12:00 Uhr
    Die beiden sind mit ihren Puppen inzwischen ins Badezimmer umgezogen und möchten die Puppenhaare frisieren. Ich weiß nicht, was meine ältere Tochter mit den Haaren ihrer Puppe angestellt hat, aber das hat sie sehr gründlich gemacht. Die Haare sind total verknotet, mit der Bürste gibt es kein Durchkommen. Im Internet lese ich, dass die Knoten sich mit Hilfe von Weichspülern wieder lösen können. Wir probieren es aus, aber ich kann keine Verbesserung erkennen, meiner Tochter geht die Lust aus und sie fragt, ob ich mich um die Haare kümmere.

    13:30 Uhr
    Mittagessen für die Kinder

    14:00 Uhr
    Die Kinder sollen die Zimmer aufräumen und ich kümmere mich um die Puppenhaare. Nach 5 Minuten, in denen ich versuche mit der Bürste, die Knoten zu lösen, gebe ich auf und greife zur Schere. Meine Tochter ist (zum Glück) mit dem Ergebnis zufrieden.

    Ich lese im Internet. Die Kinder sind in ihren Zimmern und vielleicht räumen sie auf.

    15:00 Uhr
    Ich fahre mit meiner Jüngsten in die Stadt. Mein Mann und ich haben beide jeweils ein Bücherpaket bei der Stadtbibliothek gewonnen. Außerdem muss ich ausgeliehene Kinderbücher und –hörspiele zurückgeben.

    Ich bin immer erstaunt, wie einfach alles ist, wenn ich nur ein Kind dabei habe. In der Bücherei erhalte ich die liebevoll eingepackten Gewinne und freue mich sehr darüber. Meine Tochter sucht sich neue Hörspiele und ein Buch aus. Wir besorgen noch zwei, drei Kleinigkeiten und gehen dann ins Eiscafé. Endlich löse ich dort den Gutschein ein, den ich seit Monaten in meiner Tasche durch die Gegend ‚getragen‘ habe. Milchshake für meine Tochter, Milchkaffee für mich. Ich packe die Päckchen aus und freue mich erneut! Es sind drei Bücher. ‚Mord im Gurkenbeet‘, das ich noch nicht kannte. Außerdem ‚Der goldene Kompass‘ und ‚Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück‘, die ich beide schon gelesen habe. Falls jemand Interesse an den Büchern hat, kann er sich gerne melden.

    18:00 Uhr
    Wir sind wieder Zuhause. Mein Mann und die Tochter waren mit dem Hamster in der Zwischenzeit beim Tierarzt. Er hat eine Augenentzündung, die nun mit einer Creme behandelt werden muss.

    18:30 Uhr
    Abendessen für die Kinder. Ich kümmere mich um den Haushalt. Wäsche, Ordnung etc.

    19:30 Uhr
    Es ist Zubettgeh-Zeit für die Kinder. Sie möchten gemeinsam im Zimmer der Jüngsten übernachten. Natürlich gibt es erstmal Streit darüber, wer wo schläft und auf welcher Isomatte oder im Bett oder oder oder. Nach kurzer Zeit scheinen sie eine Einigung erreicht zu haben. Bis jetzt sind sie noch nicht eingeschlafen. Abwarten, ob der Frieden hält. Es gibt ja immer einen Grund, um sich zu streiten.

    20:00 Uhr
    Ich habe mir Abendessen, aus dem, was noch da war, gekocht. Kein Hochgenuss, aber ich bin satt.

    20:30 Uhr
    Ich schreibe diesen Beitrag. Anschließend schaue ich mit meinem Mann Fernsehen, lese im Internet und nehme mir erneut vor, pünktlicher zu Bett zu gehen.

  • Ich habe es mir spaßiger vorgestellt.

    Mein Mann hat meinem Sohn letztes vorletztes Jahr zu Weihnachten ein Modelleisenbahn-Starterpaket geschenkt. Er hatte es sich nicht gewünscht, aber es erweckte in ihm eine Modelleisenbahn-Leidenschaft. Er wälzte Kataloge, besuchte gemeinsam mit meinem Mann eine Messe und entwickelte große Pläne. Einer davon lautete: „Ich möchte einen Berg bauen!“ Die Platte, auf der die Eisenbahnschienen und Co. aufgebaut sind, ist ca. 1 x 2 m groß. Ich zweifelte daran, dass dort ein Berg genug Platz haben würde, hielt mich aber raus. Nachdem mein Sohn meinem Mann sehr lange mit seinem Vorhaben in den Ohren lag, ist er mit ihm losgezogen, um die Dinge, die man für den Bau eines Berges benötigt, zu kaufen. Erstaunlich, was man dazu alles braucht (meine Meinung). Aber Hauptsache war, dass es endlich losging! Heute stand Arbeitsschritt 3 an. Papierstreifen mit Kleister auf die Grundform des Berges kleben. Nachdem mein Mann die Arbeitsschritte 1 und 2 fast alleine durchgeführt hatte, war nun mein Sohn dran. Nach ca. fünf Minuten stand mein Sohn mit zusammengekniffenen Augenbrauen vor mir, Spuren von Kleister auf seinem T-Shirt. Ich fragte ihn: „Was ist los?“

    Seine Antwort: „Ich habe mir das spaßiger vorgestellt!“

    Monatelang träumt mein Sohn davon, einen Berg zu bauen und jetzt, wo er seinen Plan endlich umsetzen kann, geht ihm nach fünf Minuten die Lust aus, weil er es sich spaßiger vorgestellt hat.

    Im ersten Moment denke ich mir: „Ja, du hast vollkommen Recht, ich habe mir das alles insgesamt auch spaßiger vorgestellt.“ Das sage ich nicht, aber das was ich dann sage, hilft auch nicht. Was das genau war, weiß ich nicht mehr. Irgendwas elternmäßiges. „Jetzt macht es dir vielleicht keinen Spaß, aber stell dir doch vor, wie viel Spaß du haben wirst, wenn der Berg fertig ist.“

    Als ich ungefähr fünf Jahre alt war, wollte ich 800-Meter-Läuferin werden. ‚Damals‘ verfolgten wir noch jede Deutschland-, Europa- und Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele live am ‚Bildschirm‘. Unser TV-Gerät war zugegebenermaßen sehr klein und wir saßen mit sehr großem Abstand ‚davor‘ (wegen der Augen, die eckig werden könnten und so). Jedenfalls sah das mit dem Laufen im Fernsehen wirklich sehr, sehr einfach aus. Die 400-Meter-Bahn erschien sehr, sehr klein und die SportlerInnen zogen so leichtfüßig ihre Runden, dass ich dachte: „So ein bisschen laufen, krieg‘ ich auch hin!“ Als ich dann zum ersten Mal auf einem Sportplatz war und sah, wie groß so eine Runde ist und ich zum ersten Mal so eine Runde lief und merkte, wie anstrengend das ist, beendete ich meine Sportlerinnen-Karriere, bevor sie begann.

    Ich kann es absolut nachempfinden, dass mein Sohn frustriert ist. In der eigenen Vorstellung erscheint vieles so einfach. Georg Simmel hat es folgendermaßen formuliert:

    „Wenn man eine Grundtatsache sucht, die als die allgemeinste Voraussetzung aller Erfahrung und aller Praxis, aller Spekulation des Denkens und aller Lust und Qual des Erlebens gelten könnte, so wäre sie vielleicht so zu formulieren: Ich und die Welt.“
    (Georg Simmel; Hauptprobleme der Philosophie; 3. Kapitel: Vom Subjekt und Objekt)

    Die Welt kann den eigenen Vorstellungen Grenzen setzen. Oder sie beflügeln.

  • Mein Jahresrückblick 2016

    Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war Dein Jahr?
    Meine Schwiegermutter ist am 11. Dezember gestorben. Das hat mir komplett den Boden unter den Füßen weggerissen. Das ganze Jahr war für mich extrem anstrengend. Es gab viele Tiefs, aus denen ich mich mit sehr großer Kraftanstrengung und Unterstützung wieder herauskämpfen konnte. Dass meine Schwiegermutter gestorben ist, hat mir einen absoluten Tiefschlag versetzt und es wird noch dauern, bis ich wieder sicher auf den Beinen stehen kann.

    Es gab aber trotz allem auch gute Zeiten. Mit meinem Mann, meinen Kindern, meinen Freundinnen und anderen.

    Eine Bewertung des Jahrs 2016 würde ungerecht ausfallen. Deswegen erfolgt hier keine.

    Zugenommen oder abgenommen?
    Abgenommen.

    Haare länger oder kürzer?
    Länger.

    Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
    Weder noch.

    Mehr Geld oder weniger?
    Mehr.

    Mehr ausgegeben oder weniger?
    Mehr.

    Der hirnrissigste Plan?
    Ich schaffe das alleine.

    Die gefährlichste Unternehmung?
    Das Leben an sich.

    Die teuerste Anschaffung?
    Autoreparatur inkl. TÜV und Zahnriemenwechsel.

    Das leckerste Essen?
    Der Käsekuchen an meinem Geburtstag.

    Das beeindruckendste Buch?
    … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. von Viktor E. Frankl

    „Das erstemal in meinem Leben erfahre ich die Wahrheit dessen, was so viele Denker als der Weisheit letzten Schluß aus ihrem Leben herausgestellt haben; die Wahrheit, daß die Liebe irgendwie das Letzte und Höchste ist, zu dem sich menschliches Dasein aufzuschwingen vermag. Ich erfasse jetzt den Sinn des Letzten und Äußersten, was menschliches Dichten und Denken und – Glauben auszusagen hat: die Erlösung durch die Liebe und in der Liebe.“ (Aus dem Kapitel ‚Wenn einem nichts mehr bleibt‘)

    Sophia, der Tod und ich von Thees Uhlmann

    Tagebuch einer Killerkatze von Anne Fine. Mit Illustrationen von Axel Scheffler.
    Ich war mit den Kindern im Rahmen der lit.Cologne bei einer Veranstaltung mit Axel Scheffler. Selbstverständlich ging es u.a. um den Grüffelo. Er hat aber auch Auszüge aus dem wunderbaren Tagebuch der Killerkatze vorgelesen. Die Art und Weise, wie er das gemacht hat, hat mich sehr beeindruckt. Es gibt wenige Kinderbücher bei denen ich lachen muss. Dieses hier ist eines davon. Absolute Leseempfehlung für die ganze Familie!

    Der ergreifendste Film?
    Toni Erdmann. Absolut uneingeschränkte Empfehlung!

    Heidi. Mit den Kindern.

    So schwer mir das Weinen im ‚echten Leben‘ fällt, im Kino brechen alle Dämme. Bei Heidi habe ich fast durchgehend geweint. Schlimm! In den Sommerferien habe ich mit den Kindern ‚Findet Dorie‘ geschaut. Ich dachte mir: „Endlich ein Film, bei dem ich nicht weinen werde! Ein Animationsfilm mit Fischen. Weinen? Ich doch nicht.“ Ja, es war dann doch anders.

    Die beste Serie?
    Transparent.

    Die beste CD?
    ‚The Getaway‘ von Red Hot Chili Peppers.

    Ich habe sie in Köln live gesehen. Das Konzert war gut, aber blieb hinter meinen
    Erwartungen.

    ‚My favourite things‘ von Joey Alexander.

    Seit Marushas Version von ‚Somewhere over the rainbow‘, konnte ich das Lied nicht mehr hören. Joey Alexander spielt es so gefühlvoll, dass ich meine Abneigung sofort vergaß!

    Das schönste Konzert?
    Das Deichkind-Konzert in der Köln Arena. Überragend gut. Von der ersten bis zur letzten Minute hat das komplette Publikum die Musik und die Band gefeiert!

    Im Schlosspark habe ich gemeinsam mit meinem Sohn das Konzert von Ramesh Shotham & Madras Special erleben dürfen. Jazzmusic mit Elementen der südindischen Ragas und Talas Musik. Ich kannte die Band vorher nicht. It was an absolutely mindblowing and overwhelming experience!

    Die meiste Zeit verbracht mit…?
    meinen Kindern.

    Die schönste Zeit verbracht mit…?
    Freundinnen.

    Vorherrschendes Gefühl 2016?
    Überforderung.

    2016 zum ersten Mal getan?
    Ein Tattoo stechen lassen. Es bleibt vorerst das einzige. Ich hätte niemals erwartet, dass es mir so sehr wehtun würde. Wenn ich daran denke, wie stark die Schmerzen waren, wird mir immer noch schlecht. Nichtsdestotrotz bin ich mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.

    2016 nach langer Zeit wieder getan?
    Eine mündliche Prüfung abgelegt (und bestanden).

    3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
    Schulprobleme.
    Ängste.
    Zweifel.

    Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
    Mich… vom Leben…

    Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
    Ob es unbedingt das schönste war, weiß ich nicht. Ich habe an zwei Freundinnen Seife verschenkt, die mein Mann gemacht hat. Womit ich nicht gerechnet hatte, war ihre große Freude darüber. Das hat mich wiederum sehr gefreut.

    Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
    Dasein und zuhören.

    Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
    „Sie haben jedes Recht dazu, glücklich zu sein.“

    Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
    „Lass uns ans Meer fahren!“

    Besseren Job oder schlechteren?
    Weder noch. Gar keinen Job.

    Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?
    Ja, ein Kinderbuch.

    Mehr bewegt oder weniger?
    Mehr.

    Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?
    Mehrere Erkältungen.

    Davon war für Dich die Schlimmste?
    Erkältungen sind für mich nervig, aber nicht wirklich schlimm.

    Dein Wort des Jahres?
    Zuversicht.

    Dein Unwort des Jahres?
    Grundschule.

    Dein Lieblingsblog des Jahres?
    Ich habe kein Lieblingsblog. Ich verfolge aber sehr gerne:
    Kaiserinnenreich
    Geborgen wachsen
    dasnuf
    tweedandgreet
    vierpluseins
    meineschwestertotundichhier

    Dein größter Wunsch fürs kommende Jahr?
    Leichtigkeit.

    2016 war mit 1 Wort…?
    Fordernd.

    Mit diesem Beitrag schließe ich mich der Blogparade auf dem Hebammenblog an.

    der-weg

  • Die Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufgeben.

    Am Sonntagabend klingelt das Handy meines Mannes. Er geht ins Schlafzimmer, um den Anruf entgegen zu nehmen. Währenddessen begleite ich die Kinder ins Badezimmer. Zähne putzen. Mein Mann holt mich aus dem Badezimmer, schließt die Tür und während er seine Hand auf meinen Arm legt, sagt er: „Deine Oma ist gestorben!“. Ich antworte: „Ach, so.“ Ich gehe zurück ins Badezimmer und nichts weiter.

    Ja, da stirbt die eigene Oma und nichts passiert. Keine Gefühle, keine Tränen, einfach nur Gleichgültigkeit.

    Am Montag fällt mir ein, dass ich es den Kindern sagen muss. Aber was sagt man da, wenn die eigene Oma, meine Oma, stirbt und mich das völlig unbeeindruckt lässt?

    Am Dienstag erzähle ich ihnen davon und ich denke, dass es so ok war. Mein Sohn fragt, ob wir zur Beerdigung gehen. „Nein.“, sage ich kurz und knapp. Sie kannten sie nicht, mein Sohn hat sie zweimal gesehen, meine Töchter einmal. Ich habe sie wesentlich häufiger gesehen, kannte sie aber auch nicht.

    Am Mittwoch frage ich mich, welche Erinnerungen ich an meine Oma habe. Viel fällt mir nicht ein. Ein kurzer Dialog kommt mir in den Sinn. Ich war ungefähr 15 Jahre alt.

    „Jennifer, hast du abgenommen?“
    „Ja.“
    „Schön. Es könnte aber etwas mehr sein.“

    Zu meiner Hochzeit ist sie nicht gekommen. Sie sagte meiner Mutter, dass sie schon bei so vielen Hochzeiten gewesen wäre und viele Paare inzwischen getrennt wären.

    Die Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufgeben? Ich wünsche mir, mich daran erinnern zu können, mit meiner Oma gelacht zu haben, dass meine Oma mich umarmt, wie eine Oma das eben macht, dass sie mir sagt, wie sehr sie mich lieb hat, dass sie sich freut mich zu sehen, dass sie sich für mich interessiert.

    Diese Erinnerungen gibt es nicht. Ich werde die Hoffnungen auf eine bessere Vergangenheit aufgeben müssen, jetzt bin ich noch nicht bereit dazu. Ich trauere nicht um meine Oma, aber ich trauere um die Dinge, die möglich gewesen wären. Um die Liebe, die ich nicht fühlte, das Lachen, das nicht erklang, die Umarmungen, die ich nicht spürte.

  • 5. Sitzung

    Patientin: Ich habe die Gedanken aufgeschrieben, die ich während der Sitzung letzte Woche nicht aussprechen konnte. Ich würde sie vorlesen.

    Therapeut: Ja, gut.

    Patientin liest vor.

    Therapeut: Das ist mutig.

    Patientin: Nein, das ist erbärmlich.

    „Könnt ich einen einzigen Tag nur in meinem Leben dir gefallen,
    um dann ein einziges Mal nur in deine Arme zu fallen.“
    aus ‚Wie soll ein Mensch das ertragen‘ von Philipp Poisel

  • Es war kompliziert, es ist kompliziert und es bleibt kompliziert.

    Im letzten Jahr las ich den Beitrag „Entschuldigen Sie, ich liebe Ihren Mann!“

    auf mama-arbeitet.de und machte mir zum Thema Affären so meine Gedanken. Und in der Tat ist es ein Thema, das mich lange nicht losließ. Wahrscheinlich auch weil mama-arbeitet auch auf twitter regelmäßig über das Ende ihrer Affäre und die Zeit danach berichtete.

    Ich liebe meinen Mann. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Ich brauche ihn. In zwei Jahren werde ich die Hälfte meines Lebens mit ihm verbracht haben. Die bessere, die glücklichere Hälfte. Das bedeutet aber auch, dass er seit fast 20 Jahren der einzige Mann ist, den ich küsse, mit dem ich Sex habe, der mein Innerstes berührt. Ist die Liebe, auch die körperliche, eine exklusive Angelegenheit zwischen zwei Menschen?

    Ich bin nicht auf der Suche nach einem anderen Mann. Manchmal aber findet man Dinge. Ganz ohne jede Absicht. Im Februar 2014 lernte ich einen Mann kennen. Nicht im privaten Umfeld, eher im „beruflichen“, obwohl es das auch nicht richtig trifft. Ein durchaus interessanter Mann, der gut zuhören kann. Ich habe ihm sehr viel erzählt. Während unserer Termine habe ich geredet und geredet und geredet. Über mich, offen und ehrlich, was mir sonst schwer fällt. Im Prinzip war ich gar nicht der Anlass für diese Termine, aber ich redete fast auschließlich über mich und er hörte mir zu. Ich fühlte mich verstanden und das tat mir unglaublich gut. Aber ich versuchte mir darüber hinaus keine Gedanken zu machen. Ich hatte romantische Gefühle für ihn, aber ich verdrängte sie. Zu kompliziert.

    Vor 4 Monaten, genau zwei Jahre nach dem ersten Treffen, begegnete ich diesem Mann erneut. Und da waren sie wieder, die verdrängten Gefühle. Es ist doch ohnehin schon alles so kompliziert in meinem Leben, warum dann auch noch er? In den letzten Wochen haben wir uns mehr oder weniger regelmäßig gesehen und ich werde mir nicht eingestehen, dass ich in ihn verliebt bin.

    Ich habe drei Kinder, habe gerade eine neue Therapie begonnen, mein Studium läuft schleppend, ich habe das Gefühl, dass ich überhaupt nichts mehr auf die Reihe kriege, ich liebe meinen Mann und da brauche ich keine Schmetterlinge in meinem Bauch, die alles noch viel komplizierter machen.

    Heute war endlich der finale Termin. Ich würde ihn das letzte Mal sehen. Mein Plan war das Treffen gut über die Bühne zu bringen und ihn anschließend nie wieder zu sehen. Vorbei und (hoffentlich) schnell vergessen.

    Es war ein Spitzen-Plan! Nur leider, wie sich im Gespräch herausstellte, hat sich ein neues Problem ergeben und weitere Termine sind notwendig. Ich glaube nicht an Schicksal, Fügung oder einen Gott, aber falls da doch irgendwas ist, was die Geschicke lenkt, wäre es sehr nett, wenn das mit diesem Mann jetzt aufhören könnte. Bitte. Danke.

  • We don’t need no water…

    Vor einiger Zeit habe ich ‚Die Gewissensfrage‘ zum Thema Tagebücher gelesen und mich selbst gefragt, ob ich möchte, dass meine Kinder später meine Tagebücher lesen.
    Ich habe ca. mit 11 Jahren begonnen Tagebuch zu führen und mache dies seit fast 20 Jahren nicht mehr. Vor allen Dingen geht es um die Streitigkeiten mit meiner Freundin und um Jungs, Jungs, Jungs und Jungs. Jungs, die ich oder meine Freundin toll oder eben gar nicht toll fanden, zu denen mir aber inzwischen so gut wie jede Erinnerung fehlt. Davon abgesehen ist das alles auch sehr langweilig, weil mit wenigen Ausnahmen nie etwas besonderes passiert ist. Es handelt sich also im Großen und Ganzen um Gedanken eines sehr unsicheren und pubertierenden Mädchens, die niemand lesen sollte.
    Ich mache mir immer noch sehr, sehr viele Gedanken und bin weiterhin sehr unsicher. Ich möchte mich nicht mehr mit meinen Gedanken aus Teenagerzeiten beschäftigen und so werde ich die Bücher verbrennen. Gedanken werden zu Schall und Rauch…

  • Tagebucheinträge

    Triggerwarnung: sexueller Missbrauch

    09.06.1995

    Es gibt gewisse Dinge, die man einfach aus seinem Gedächtnis streichen möchte! Doch leider… Ebenfalls ist es vergeblich mit seinen Eltern zu reden. Mutter: „Bist du dir sicher, es nicht nur geträumt zu haben?“ Dies war ein gescheiterter Versuch vor einem Jahr.
    Und leider wird man immer wieder davon eingeholt! Warum? Es wäre viel einfacher, es zu vergessen. Es ist es nicht wert, einen Gedanken daran zu verschwenden.
    Scheiße! Es wird mein ewiger Verfolger sein. Ich habe deswegen keine Hassgefühle. Eigentlich ist es mir egal. Doch mach das meinem Verstand klar. Hört sich alles ziemlich locker an.
    Doch ist es für mich so schlimm, dass ich es noch nicht einmal aufschreiben kann!

    Tja, Jennifer, wenn du dies mal irgendwann liest, hast du es dann schon so weit verdrängt, dass du nicht weißt, was ich gerade ich hier schreibe? I hope so, irgendwie!

    13.10.1995

    Ich glaube, ich habe noch nie jemanden geliebt. Ich weiß nicht, ob ich mich liebe. Als ich ungefähr 4 oder 5 Jahre alt war, habe ich bei meinem Bruder im Zimmer übernachtet. Er war da ca. 13 Jahre. Jedenfalls hat er mich betoucht, nicht vergewaltigt, aber angefasst. Damals habe ich das auch meinen Schwestern erzählt, aber S. meinte, dass das nicht stimmen würde. Vor ungefähr 2 Jahren ist mir das wieder eingefallen/ bewusst geworden. Frag mich nicht wieso. Als ich das meinen Eltern erzählte, sagte meine Mutter, warum ich mich erst jetzt wieder daran erinnern kann, und ob ich mir sicher wäre, dass ich das nicht nur geträumt habe. Mein Vater sagte, dass Jungs in diesem Alter neugierig wären, und dass er es ja nicht mit böser Absicht getan hat. Ich denke mal, dass sie mir gar nicht geglaubt haben. Aber meine Mutter hat mich noch mit ihren schlechten Erfahrungen zu gequatscht. Ach ja, außerdem sagte mein Vater, dass mein Bruder inzwischen wahrscheinlich vergessen hat, was war. Falls er Alzheimer hat dann schon.

    Aber wie ich mich fühle, und dass ich es leider nicht vergessen habe, ist nicht so wichtig.

    05.10.1996

    Das was mein Bruder mit mir gemacht hat, hat er auch mit meiner Schwester gemacht. Na ja, er hat es wohl auch zugegeben, auch ganz nebenbei. Ich habe mich an dir vergriffen und morgen esse ich Pizza. Arschloch. Also hat er es wohl doch nicht vergessen, wie mein Vater sagte. Er war mind. 12 Jahre alt. Und so kann es auch nicht am kindlichen Interesse am anderen Geschlecht gelegen haben, wie mein Vater sagte. Mit 12 muss man nicht seine Schwestern anpacken, um Erkenntnisse zu gewinnen. Auch egal. Ich will auch gar nicht wissen, warum er es getan hat.

  • Let’s talk about sex!

    Wie war das denn damals noch? Damals, vor über 20 Jahren, als ich 17 war und das erste Mal Sex hatte.

    Meine Mutter ist mit den Themen Aufklärung und Sex relativ offen umgegangen. Was mein Vater dazu gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Ich denke es war wahrscheinlich (wie fast zu allen Themen): nichts. Ich wusste also ziemlich gut darüber Bescheid, wie Babys entstehen, und zwar bevor ich wusste, was die Blümchen und die Bienchen eigentlich so treiben.

    Meiner Mutter wurde in ihrer Kindheit erklärt, dass die Hebamme die Babys in einem Koffer mitbringt. (Irgendwie steckt in dieser Aussage ja auch ein Fünkchen Wahrheit.) Jedenfalls war es ihr wichtig, dass wir, meine Geschwister und ich, Bescheid wissen.

    Sie sagte mir, als ich ungefähr 12 war, dass Sex etwas Besonderes wäre und ich auf den Richtigen warten sollte. Denn wenn ich einmal Sex gehabt hätte, würde ich es immer wieder wollen. Das ging so in Richtung „Kein Sex vor der Ehe“, wobei meine Mutter so liberal war, ein Zugeständnis zu machen. Die Eheschließung müsste nicht zwingend abgewartet werden, aber es sollte dann bitteschön schon der zukünftige Ehepartner sein.

    Mein Bruder und meine älteste Schwester haben das tatsächlich so gemacht. Mein Bruder hat mir das auch versucht anhand eines Bildes deutlich zu machen. Eine Frau wäre wie ein Apfel. Jeder Mann, auf den sie sich einlassen würde, wäre wie ein Biss in diesen Apfel. Im schlimmsten Fall wäre von der Frau schlussendlich nur noch die Apfelkitsche übrig. (Zu dieser Aussage schreibe ich an dieser Stelle nicht mehr, da ich sonst kotzen muss.)

    Mir war ziemlich schnell klar, dass ich weder auf den zukünftigen Ehemann noch die Eheschließung warten würde. Jetzt bin ich in einer Kleinstadt aufgewachsen und selbst, wenn es jemanden gegeben hätte, der für mich in Frage gekommen wäre, hätte ich mich nicht darauf eingelassen. Weiß es einer, wissen es alles. Es war aber so, dass ich das erste Mal hinter mir haben wollte. Ich wollte es abhaken. Es sollte erledigt sein. Ich hatte keine romantischen Absichten. Es war ein Punkt auf meiner To-do-Liste. Und das vielleicht auch aus der trotzigen Haltung einer Pubertierenden heraus. Und als Opfer von sexuellem Missbrauch, das sich fragt, ob es nach diesen Erfahrungen für immer „unfickbar“ bleiben wird.

    Mit 17 lernte ich einen Mann aus der nahegelegenen Großstadt kennen. Ich war furchtbar naiv und fühlte mich doch so abgeklärt. Er wollte mich, weil ich Jungfrau war. Ich wollte ihn, um keine Jungfrau mehr zu sein. Wir haben uns ungefähr zwei Monate lang getroffen. Die meiste Zeit verbrachten wir im Bett, wobei ich glaube, dass wir trotzdem nur zwei- oder drei Mal Sex hatten.

    Ich hatte Sex gehabt und hatte es überlebt. Einfach so.

  • 12 von 12 – Dezember 2015

    Heute mache ich zum ersten Mal bei 12 von 12 mit. Die Erklärung dazu findet ihr hier. Alle Beiträge kann man sich hier anschauen.

    2015-12-12 19.24.37
    1. Kaffee: Die Kinder sind wach, spielen aber in ihren Zimmern. Ich genieße den ersten Kaffee des Tages.
    2015-12-12 19.25.37
    2. Blutdruck-Kontrolle: Letzte Woche hat mir mein Hausarzt pflanzliche Tropfen empfohlen, um meinen Blutdruck zu steigern. Bisher ohne Erfolg.
    2015-12-12 19.26.23
    3. Weltpremiere: Ich gehe zum ersten Mal „alleine“ mit meinen Drei ins Schwimmbad. Es war ein voller Erfolg. Sehr beeindrucken konnte ich sie mit der Vorführung einer formvollendeten Arschbombe. In der Familienumkleide waren sie sich dann alle drei darüber einig, dass ich lange Brüste habe, und es ist sehr schade, dass ich jetzt nie wieder mit ihnen schwimmen gehen kann.
    2015-12-12 19.27.03
    4. Pommes: Nach dem Schwimmen muss ich immer an den Pawlowschen Hund denken, denn für meine Kinder gehört zum Schwimmbad untrennbar die Pommesbude. Der Speichelfluss setzt ein sobald die Haare trocken sind.
    2015-12-12 19.34.56
    5. Adventsbasteln (extern): Nach einer kurzen Pause bringe ich die beiden älteren zu einer Adventsfeier, bei der sie sehr viel Spekulatius essen und Weihnachtskarten basteln.
    2015-12-12 19.28.45
    6. Als ich wieder Zuhause bin, trinke ich meinen dritten Kaffee.
    2015-12-12 19.29.28
    7. Dazu esse ich selbstgebackenen Stollen (ohne Rosinen, Zitronat oder Orangeat). Sehr lecker!
    2015-12-12 19.31.10
    8. Anschließend steht ein bisschen Hausarbeit auf dem Programm. So much fun!
    2015-12-12 19.30.27
    9. Währenddessen repariert mein Mann den PC, indem er irgend einen Stecker zieht und wieder einsteckt. Ich bin davon sehr beeindruckt, denn ich bin vollkommen ahnungslos, was Technik betrifft.
    2015-12-12 19.31.45
    10. Blutdruck-Kontrolle (2. Teil): Meinen Blutdruck lässt das alles kalt, er ist weiterhin zu niedrig.
    2015-12-12 19.32.31
    11. Adventskalender: Ich lese den Kindern den 12. Abschnitt vor und um tumultartige Ausschreitungen zu vermeiden, klebe ich wie jeden Abend das dazugehörige Folienbild auf. Die Kinder mögen die Geschichte gerne, ich leide ein wenig während des Vorlesens.
    2015-12-12 19.36.49
    12. Anschließend noch die zweite Abendlektüre. Als Kind habe ich die Geschichte von Rübezahl auf LP gehört, vorgelesen von Hans Paetsch mit seiner wundervollen Stimme. An den Inhalt kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern, so dass ich es nun gemeinsam mit meinen Kindern erfahre, wie Rübezahl zu seinem Namen kam.