Die Note 4 ist die neue 3

Der Wertekompass

Verehrte Damen und Herren, heute geht es um Werte. Werte sind – wie Sie sicher wissen – wichtig. Der Wertekompass zeigt den Weg an. Bitte hier entlang. Wenn Sie sich für Ihre Werte interessieren, können Sie diese hier einmal ermitteln: https://einguterplan.de/werte-test/ (keine Werbung). Gerne mehrfach, Werte können sich ändern.

Bei mir auf Top 1 und unangefochten: Ordnung

Wenn im eigenen Leben über lange Zeit so gut wie nichts in Ordnung war, da kann es wohl passieren, dass die Ordnung im Äußeren, die mit der Hand am Arm (wie mein Vater zu pflegen sagte) selbst hergestellt werden kann, eine große Bedeutung hat. Wobei natürlich auch die innere Ordnung nicht zu vernachlässigen ist. Die meinen Erfahrungen gemäß nicht so einfach herzustellen.

Als ich unter dem o.g. Link den Werte-Test durchführte, überraschte mich das Ergebnis und es überraschte mich auch nicht. Ordnung. Geht es denn noch langweiliger? Moment, ich schaue gerade einmal, welche Werte es noch gibt. Nein, ich konnte nichts Langweiligeres finden. Ordnung. Das ist doch auch ein sehr weitgefasster Begriff. Studienordnung, Öffentliche Ordnung, Weltordnung, Recht und Ordnung, Rangordnung usw. usw.

Sein Leben nach der Ordnung auszurichten, erscheint mir doch zu diffus. Das muss doch konkreter gehen. Sehr unzufriedenstellend!

Aber natürlich merke ich in meinem Leben sehr deutlich, was es bei mir auslöst, wenn etwas nicht in geordneten Bahnen verläuft. Wenn ich jetzt schreiben, dass 4 von 5 Leuten in unserem Haushalt von ADHS ohne Hyperaktivität betroffen sind (ich nicht), können Sie sich vielleicht im Groben vorstellen, dass hier einiges nicht in geordneten Bahnen – so wie ich sie mir vorstelle – verläuft. Aus verschiedenen Gründen, die ich mir heute nicht mehr erschließen will, leben hier ebenfalls zwei Katzen, ein Kater und eine Hündin. Die sind der Aufrechterhaltung der Ordnung im und um das Haus nicht zuträglich.

In den Jahren konnte ich meine Toleranzgrenzen in Bezug auf Ordnung ausdehnen. Das ist gut. Es hat auch mit dem reinen Selbstschutz zu tun. Es ist unmöglich, für vier andere Menschen und vier Tiere, einen Grad von Ordnung aufrechtzuerhalten, wie ich ihn gerne hätte. Ich will nicht jammern, es gibt natürlich wichtigeres im Leben, das ist mir klar. Aber trotz allem versetzt mir Chaos einen Stich.

Als ich vor langer, langer Zeit in die Schule kam, war das himmlisch! Es gab Regeln für alles, die ich schnell begriff und mich gerne daran hielt. Das gibt Orientierung und gute Noten. Dass meine Kinder nie gerne zur Schule gegangen sind und wir zudem sehr viel Zeit in Gesprächen mit Lehrer*innen, Schulpsycholog*innen, Familienberater*innen und anderen verbrachten (überwiegend ich allein), werde ich wahrscheinlich nicht oder nur sehr schwer überwinden können.

Erstaunlich ist auch, dass in all diesen Gesprächen nie jemand vom geschulten Personal das Thema ADHS ansprach. Im Rückblick fast unbegreiflich. Auch Lehrkräfte schauen mich heute noch mit leeren Augen an, wenn ich sage, dass ADHS vorliegt.

Langsam nähern wir uns dem Problem. Die Frage, die mich also die letzten 13 Jahre mal mehr oder weniger beschäftigt: „Was mache ich mit meinem Kind, dass könnte, wenn es wollte?“ Seit einigen Jahren mit der Unterstützung von sachkundigem Fachpersonal. (Die Frage ist natürlich sehr verkürzt und wird den Schwierigkeiten, die unter ADHS auftreten, nicht gerecht.)

Wenn ich mit meinem Kind rede und der Frage nachgehe, ob es nicht besser ist, sich jetzt aber wirklich mal ins Zeug zu legen, für die letzten Monate, um dann erfolgreich die Mittlere Reife zu schaffen, oder sich weiter mit großer Leidenschaft der eigenen Schulunlust hinzugeben, um dann die zehnte Klasse zu wiederholen, und ich dann in ähnlich leere Augen blicke wie die der o.g. Lehrkräfte, dann bricht meine kleine Welt der Ordnung zusammen.

Ja, natürlich ist eine „Ehrenrunde“ kein Beinbruch.

Es ist einfach unvorstellbar anstrengend, schulunlustige Kinder seit 13 Jahren zu begleiten. Ich hatte mich damit abgefunden, dass die Note 4 die neue 3 ist, nachdem ich mich schon von der 2 verabschiedet hatte. Die eigene Prägung auf gute Leistungen lässt sich nicht so einfach überwinden, so sehr ich mir das seit mehr als einem Jahrzehnt auch gewünscht habe. Es wäre ja für mich selbst die allergrößte Erleichterung.

Natürlich wissen meine Kinder, wie ich zum Thema Schule stehe, und die ist wesentlich facettenreicher, als ich das hier beschreiben möchte. Schule ist nicht alles im Leben. Sie war aber in meinem Leben eine Art tägliche Flucht aus dem heimischen Chaos und damit auch eine Art von Rettung.

So, da sitze ich mit meinem Kind. Es ist schlau, es könnte. Eine 5 auf dem Zeugnis kann ich mittlerweile auch verkraften, schwer, sehr schwer. Mehr als eine 5 ist möglich, muss aber mit befriedigenden Leistungen ausgeglichen werden… Heute rechne ich mit mehr als einer 5 und eher keinen befriedigenden Leistungen.

Mein Kopf, mein armer Kopf. Das ist doch gar nichts in Ordnung! Mit den Noten! Das geht doch nicht so. Das Kind weiß das. Ich weiß das. Alle wissen das! Und am Ende immer nur leere Augen, die mich anblicken.

Seit letztem Jahr lautet mein Motto: Depressionsprävention! Wer depressiv war, will das nicht mehr werden. Es gibt einiges, was ich machen kann, um zu begünstigen, dass ich nicht mehr depressiv werde. Es gibt aber keine Garantien. Ich bin sehr fleißig darin, stabil zu bleiben. Ich muss auch aufpassen, nicht zu fleißig zu sein. Es gibt ja auch zu viel des Guten und am Ende bin ich so erschöpft, dass ich dann doch wieder in eine Depression rutsche. Es ist kompliziert.

Depressionsprävention + ADHS4 + Schulprobleme + Leben = Herausfordernd

Seit gestern versuche ich eine Lösung für das Schulproblem zu finden und obwohl ich weiß, dass wir alles getan und alles in die Wege geleitet haben, bin ich auf der Suche. Unvorstellbar wie viele Ideen ich entwickeln kann. Viele Ideen haben mit Gesprächen zu tun… s.o. und während ich das denke, lache ich und weine ich und bin ratlos.

Auch das geht vorbei. Es dauert 3 Monate oder 15 Monate. Falls es länger als 15 Monate dauert, dann geht das auch vorbei. Amen!

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