Am Sonntagabend klingelt das Handy meines Mannes. Er geht ins Schlafzimmer, um den Anruf entgegen zu nehmen. Währenddessen begleite ich die Kinder ins Badezimmer. Zähne putzen. Mein Mann holt mich aus dem Badezimmer, schließt die Tür und während er seine Hand auf meinen Arm legt, sagt er: „Deine Oma ist gestorben!“. Ich antworte: „Ach, so.“ Ich gehe zurück ins Badezimmer und nichts weiter.
Ja, da stirbt die eigene Oma und nichts passiert. Keine Gefühle, keine Tränen, einfach nur Gleichgültigkeit.
Am Montag fällt mir ein, dass ich es den Kindern sagen muss. Aber was sagt man da, wenn die eigene Oma, meine Oma, stirbt und mich das völlig unbeeindruckt lässt?
Am Dienstag erzähle ich ihnen davon und ich denke, dass es so ok war. Mein Sohn fragt, ob wir zur Beerdigung gehen. „Nein.“, sage ich kurz und knapp. Sie kannten sie nicht, mein Sohn hat sie zweimal gesehen, meine Töchter einmal. Ich habe sie wesentlich häufiger gesehen, kannte sie aber auch nicht.
Am Mittwoch frage ich mich, welche Erinnerungen ich an meine Oma habe. Viel fällt mir nicht ein. Ein kurzer Dialog kommt mir in den Sinn. Ich war ungefähr 15 Jahre alt.
„Jennifer, hast du abgenommen?“
„Ja.“
„Schön. Es könnte aber etwas mehr sein.“
Zu meiner Hochzeit ist sie nicht gekommen. Sie sagte meiner Mutter, dass sie schon bei so vielen Hochzeiten gewesen wäre und viele Paare inzwischen getrennt wären.
Die Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufgeben? Ich wünsche mir, mich daran erinnern zu können, mit meiner Oma gelacht zu haben, dass meine Oma mich umarmt, wie eine Oma das eben macht, dass sie mir sagt, wie sehr sie mich lieb hat, dass sie sich freut mich zu sehen, dass sie sich für mich interessiert.
Diese Erinnerungen gibt es nicht. Ich werde die Hoffnungen auf eine bessere Vergangenheit aufgeben müssen, jetzt bin ich noch nicht bereit dazu. Ich trauere nicht um meine Oma, aber ich trauere um die Dinge, die möglich gewesen wären. Um die Liebe, die ich nicht fühlte, das Lachen, das nicht erklang, die Umarmungen, die ich nicht spürte.
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