Vor drei Jahren habe ich meiner Schwester einen Brief geschrieben. Einen Abschiedsbrief. Einen beschissenen Brief. Eine feige Art Lebewohl zu sagen.
Ich finde bis jetzt nicht die Worte, die erklären könnten, warum ich den Kontakt zu ihr abgebrochen habe. Mir war klar geworden, wie sehr wir uns voneinander entfernt hatten. Ich habe sie immer weniger verstanden. Ich begann damit ihr Dinge zu verschweigen, weil ich mich nicht ihrer Beurteilung aussetzen wollte. Zum Schluss hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich an sie dachte, gefolgt von dem Gedanken, dass ich mich mal wieder bei ihr melden müsste. Ich möchte nicht von Schuld sprechen oder Gründe dafür nennen, warum mir der Kontakt so schwer fiel. Das wäre ungerecht. Aber mir war klar geworden, dass ich für mich und mein Wohlergehen verantwortlich bin und traf daraufhin eine durch und durch egoistische Entscheidung, die sich zwangsläufig auch auf meine Kinder auswirkte.
Meine Schwester hat sich immer sehr liebevoll um die Kinder gekümmert. Sie hatten eine sehr vertrauensvolle Beziehung zueinander. Besonders meine mittlere Tochter litt darunter, ihre Tante nicht mehr zu sehen. Ich habe versucht den Kindern zu erklären, dass sie ihre Tante sehen können, auch wenn ich keinen Kontakt zu ihr habe. Es gab Annäherungsversuche durch die Kinder, die erfolglos blieben. Ich habe diese Versuche nicht aktiv unterstützt, habe sie aber zugelassen, weil es den Kindern wichtig war. Für mich eine Gratwanderung.
Gestern konnten meine Töchter ihre Tante besuchen. Spontan und unerwartet. Ja, und ich freute mich darüber, weil die beiden so glücklich waren, so sehr strahlten, als sie zurückkamen, aber es meldeten sich auch ungute Gefühle. Meine Schwester erkundigte sich per SMS, der ersten seit drei Jahren, ob die zwei gut Zuhause angekommen wären. „Ja.“ war meine Antwort. Ich löschte die Nachrichten und die Nummer aus dem Protokoll. Kurz darauf traf eine weitere SMS ein. Und da war es, das Gefühl, die Angst davor, dass die SMS von ihr ist. Die Gewissheit, dass ich das nicht aushalten kann. Die Angst davor, dass sie sich meldet, die Angst davor wieder eine Rolle zu spielen, damit es sich für sie gut anfühlt. Ich las die Nachricht und sie fragte mich, ob sie die Kinder in zwei Wochen sehen kann. In meinem Kopf drehte sich alles. Dieser kaum auszuhaltende Zwiespalt. Das zu tun, was für mich richtig ist, und trotzdem die Bedürfnisse meiner Kinder anzuerkennen und diesen gerecht zu werden.
Ich bat meinen Mann ihr zu schreiben, dass ein Treffen in Ordnung ist und dass sie sich in Zukunft nur noch an ihn wenden soll.
Eine halbe Stunde später bekam ich wieder eine SMS. Von ihr. Der Inhalt kurz. Zwei Worte. „Erbärmliche F*tze“
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