Sitzung 08.11.2021

Lieber Herr Therapeut,

die letzte Sitzung war sehr schmerzhaft. Nachdem ich Ihre Praxis verlassen hatte, wusste ich für einige Augenblicke nicht, was ich machen soll. Es war schwer, zu gehen bzw. zu entscheiden, wohin ich gehen soll.

Wenn ich in der letzten Sitzung gesagt habe, dass ich den Verrat meiner Eltern als eine Art Mord empfunden habe, möchte ich das revidieren und stattdessen sagen, dass sie mein Gefühlsleben, Gefühlserleben abgetötet haben.

Es ging mir in den vergangenen Tagen schlecht. Ich fühlte mich wie von einem Nebel umgeben. Ich fühlte eine schwere Last, die mich niederdrückt. Ich fühlte gar nichts. Ich spürte meinen Körper nicht. Ich fühlte mich wie aufgelöst. Ich hatte Gefühle, wusste aber nicht welche.

Mir ist schmerzhaft, noch einmal stärker, bewusst geworden, wie sehr meine Kindheit meine Entwicklung beeinflusst hat. Und welchen Einfluss das immer noch auf mich hat. Wie stark das Verhalten meiner Eltern, mich verdreht hat. Dass ich es als so bitter empfinde, dass ich mich mein ganzes Leben gefragt habe, was nicht mit mir stimmt. Und ich mich immer wieder gefragt habe, ob ich eine Art von Persönlichkeitsstörungen habe. Und den Fehler bei mir gesucht habe.

Was haben meine Eltern mit mir gemacht? War es das wirklich wert? Den egoistischen Drang seine eigenen Gefühle über sein Kind zu befriedigen. Auf Kosten meiner gesunden Entwicklung und Persönlichkeitsentfaltung.

All diese Jahre voller Selbstzweifel und Sehnsucht. Und voller mühsamer Anstrengungen. Einfach für den ***** All diese Energie, die ich investiert habe. In meinem Leben. Um ein Ziel zu erreichen, das nicht zu erreichen ist. Die viele Energie, die ich brauche, um ein gutes Leben führen zu können. Heute.

Ich habe einen Podcast gehört zu C. G. Jung. Bei dem es nur um Basiswissen ging. Und eine Soziologin war eingeladen, um darüber zu sprechen und. Nein, das war keine Soziologin, das war eine Psychologin für Tiefenpsychologie. Zu mindestens bei einer der Aussagen, dass in der Mitte des Lebens die Erkenntnis auftauchen kann, dass da ein Drang gespürt werden kann, dass da ein anderes Leben, da ist ein anderes Leben, das gelebt werden möchte. Diesen Drang spüre ich auch. Der hat aber mit meiner Lebensmitte nichts zu tun. Ich möchte ein freieres und mutigeres Leben leben. Und ich möchte nicht bitter darüber werden, dass es dieses Leben unter anderen Umständen bereits gegeben hätte. Und das macht mich so sauer. Dass meine Eltern rein gar nichts verstehen. Nichts. Was Sie mir angetan haben. Wie schwer mein Leben ist.

Ich möchte, dass Sie mir dabei helfen. Ich habe Angst. Meine ehemalige Therapeutin. Sie hat so viele schlimme Dinge zu mir gesagt, die sich in mich eingebrannt haben. Und sie hat genau in die Kerbe geschlagen, an der meine Eltern schon gearbeitet hatten. Und deswegen ist es mir auch leicht gefallen, das zu glauben. Ich wäre selber Schuld daran, dass meine Eltern mir nicht glauben würden. Weil ich alles so rationalisieren würde. Ich würde berichten, wie in einem Artikel in einer Tageszeitung. Sehen Sie Sie reagieren über. Wieder. Sie haben sich nicht genug angestrengt. Wir haben zu wenig erreicht. Sie haben zu wenig erreicht.

Wenn wir zusammenarbeiten und ich mich darauf einlasse… Wenn das nicht klappt. Also wenn die Therapie nicht aufgeht. Ich weiß nicht, ob ich das nochmal schaffe.

Ich will mich auf den Weg machen. Bleiben Sie bei mir, bitte.

Grüße,


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