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  • Brain Fog, Baby!

    Brain Fog gesungen auf Love Shack von The B-52‘s:

    Wo sind denn Bands wie The B-52‘s? Pet Shop Boys? Madness? Bin ich alt und nostalgisch? Vielleicht? Und wo sind denn Filme wie The Commitments? Fish & Chips?

    Mit meiner Herkunftsfamilie war wirklich nix anzufangen! Nix, gar nix, nada! Aber: Filme konnten wir gucken und dabei lachen. Oberste Regel beim Filme gucken: still sein und auf die Leinwand oder den Bildschirm gucken. Das vermindert die Gelegenheit für Konflikte!

    Der letzte Film, den wir alle zusammengeguckt haben (ohne meinen Bruder) war nicht Mamma Mia! Das hatte ich bis gerade eben gedacht. Den habe ich schwanger mit meiner Schwester 1 und ihrer inzwischen (lange, lange) Ex-Freundin geguckt. Ich habe sehr viel geweint – ich war schwanger.

    Falls mir der Film noch einfällt, ergänze ich den Titel. Der Kinoabend lief gut, der Film war kurzweilig, wir haben gelacht. Einige Zeit später offenbarte mir Schwester 2, dass sie während des Films fast gekotzt hätte, weil sie beobachten konnte, wie mein Mann (zu dem Zeitpunkt Freund) und ich Händchen gehalten haben. Gehässigkeiten kommen unerwartet, fliegen tief und treffen ihr Ziel. Fast gekotzt… S. oben: Die Regel lautet auf die Leinwand gucken!

    Zurück zum Titel: Brain Fog. Kennen Sie das? Das anhaltende Gefühl der Kopf sei vernebelt, mit Watte gefüllt. Dieses Gefühl habe ich schon lange.

    Es ist mir jetzt zu müßig aufzuschreiben, bei welchen Ärzt*innen ich bisher war, um die Ursache zu finden. Brain Fog kann im Prinzip Begleitsymptom von allem sein! Ich kann ganz gut damit leben, ohne wäre schöner.

    Momentan hoffe ich, dass die Hormonersatztherapie Milderung mit sich bringt. Wie immer wird natürlich in allen Ratgebern die Einfaltigkeit der Dreifaltigkeit empfohlen: ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und moderate Bewegung.

    Ich glaube heute Abend gucke ich The Commitments, vielleicht lache und weine ich ein bisschen und/ oder ärgere mich darüber, wie schlecht der Film gealtert ist.

  • Kleinanzeigen

    Ich mag Kleinanzeigen. Bis jetzt habe ich alles losbekommen, was ich dort eingestellt habe. Dazu muss ich sagen, dass ich fast alles verschenke. Wenn ich etwas nicht mehr brauche, dann soll es jemand anders haben. Ich wüsste nicht, dass ich jemals etwas verschenkt habe, bei dem ich später dachte: „Ach, das hätte ich besser behalten sollen.“

    Ich würde viel mehr verschenken, wenn die anderen vier Haushaltsmitglieder nicht so sehr an den Dingen hängen würden. Mein Schwiegervater sagte schon immer: „Besser haben als brauchen!“ Ich habe ihn das nie sagen hören, aber mein Mann berichtete davon.

    Nachdem ich das Haus mein Schwiegereltern ausgeräumt hatte, wusste ich, dass es das Lebensmotto meiner Schwiegereltern war. „Wer weiß, für was das noch gut sein kann?„ Ich verstehe das. Kriegskinder.

    Unglaublich, was die Leute alles holen kommen. Ich bin wirklich dankbar dafür! Manchmal wundere ich mich. Dass Leute nicht kommen, überrascht mich nicht mehr. Ich warte mittlerweile nicht mehr auf die Leute. Wenn ich weg muss, stelle ich die Sachen vor die Haustür und schicke eine Nachricht an die Abholer*innen.

    Erstaunlich ist, dass es Menschen gibt, die ein Doppelbettgestell mit einem kleinen Kleinwagen abholen wollen. Oder mehrere große Blumenbänke mit einem Smart. Oder dass gestern jemand vor einem Haus in der Nachbarstadt stand, weil es dort eine Straße mit dem gleichen Namen gibt.

    Viele bringen ein kleines Dankeschön mit, fast niemand eine Tasche oder Box für den Transport.

    Ich könnte noch viel interessantere Sachen zur Entrümpelung des Hauses schreiben, das ist dann aber zu privat.

    Was ich nicht mag, sind Kisten, in die Leute Sachen reinstellen, die sie verschenken möchten. Denn die Gefahr besteht, dass Familienmitglieder Sachen entdecken und denken: „Besser haben als brauchen!“

  • Wer schreibt, der bleibt!

    Der Beginn einer neuen Rubrik: Was will uns dieses Sprichwort sagen?

    Aus Gründen habe ich eine Aufgabe bekommen… oder ich habe darum gebeten, diese Aufgabe zu bekommen… das verleiht der Sache vielleicht ausreichend Verbindlichkeit, damit ich in vier Wochen etwas berichten kann. Die Aufgabe lautet: schreiben. Was ich schreibe, ist erst mal egal.

    To-do-Liste, Tagebucheintrag, Einkaufszettel, etc. Für einen ganz kurzen Moment habe ich an sog. Morning Pages gedacht. Toll, dass es doch für fast alles einen Begriff gibt. Morning Pages sind für mich (nach kurzem nachdenken) nichts. Am Morgen kann ich Kaffee trinken und Löcher in die Luft gucken. Was ich am Morgen gar nicht brauche, sind weitere Aufgaben.

    Manchmal phantasiere ich, dass ich morgens joggen gehe. Das würde meinen Kreislauf in Schwung bringen, meinen Kopf frei machen, im Prinzip würde sich der ganze Körper freuen. Ja, die Idee ist toll, doch ich jogge sehr ungern (mehrfach probiert) und am Morgen Kaffee und Löcher, s.o.

    Falls ich doch noch ein neuer Mensch werde, dann auf jeden Fall eine, die morgens joggen geht!

    In der vorlesungsfreien Zeit muss ich eine Hausarbeit schreiben. Also, jetzt… Thema (grob): Hoffnung in Extremsituationen. Die letzte wissenschaftliche Arbeit habe ich in einer schweren depressiven Phase geschrieben. Thema (grob): Darstellung von Depressionen in der zeitgenössischen Literatur.

    Das war auf jeden Fall eine meiner weniger guten Ideen. Ich habe das Thema aber total gefühlt. Das ist ja nicht immer so… Das Ergebnis hätte schlechter sein können, ich war und bin zufrieden.

    Heute werde ich noch viele schöne Dinge erleben. Zum Beispiel einen Becher Eis essen. Die Familie ist verreist, ich bin eine Woche alleine Zuhause. Das wird wunderschön!

  • Schwanen-Weh

    Wenn ich verreise, bin ich mit Bildungsauftrag unterwegs, mit Kulturprogramm. Aus dem Weg, ich bilde mich.

    Ich war in Dresden, im Mai. Grünes Gewölbe. Sehr enttäuschend! Meine Erwartungen waren zu hoch! Oder zu tief? Ein Gewölbe ist in meiner Vorstellung im Keller. Gewölbe. Ein schönes Wort, was ich bei Wikipedia fix nachgeschlagen habe:

    „Ein Gewölbe ist ein zum darunter gelegenen Raum hin konkaves Schalenbauteil und gehört somit zu den gekrümmten Flächentragwerken. Während ein Bogen in einer Ebene liegt, hat ein Gewölbe eine dreidimensionale Ausdehnung. Gewölbe ermöglichen die Deckung von Räumen mit alleiniger Druckbelastung der Materialien.“

    Ja, gut, ich hatte das wohl mit Gewölbekeller verwechselt. Jedenfalls Grünes Gewölbe. Nicht so spannend, außer man mag Audio Guides. Und Vitrinen, in denen Schmuckstücke arrangiert sind. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte…

    Was guckt sich in Dresden der kulturinteressierte Mensch außerdem an? Also, vermutlich auch die kulturuninteressierten? Die Semper Oper. Ich hatte eine Karte für Schwanensee gekauft. Das Orchester hat mir sehr gefallen. Die Ballettänzer*innen haben alles gegeben, aber die Aufführung…

    Wen es interessiert, kann hier nachlesen. Ich schaue mir so gut wie nie Ballett- oder Tanzaufführungen an, habe keine fachliche Expertise, ich kann nur sagen, wie es mir gefallen hat: grauenvoll, verstörend. Wieso? Weshalb? Warum?

    Aber Semper Oper von außen und innen gesehen. Unvergesslich. Muss ich also nie wieder hin!

  • Reizthemen Teil 2

    Stehplätze. Ich bin zu alt dafür! Schon länger!

    Vor vielen Jahren war ich mit meinem Mann und meinem Vater bei einem Konzert von The Darkness. Das muss schon sehr lange her sein, da mein Vater dabei war. Die Vorband hieß The Ginger Five oder ähnlich. Ein Leadsänger mit E-Gitarre und noch drei Gitarristen oder zwei Gitarristen und ein Bass, ein Drummer. Es war sehr laut und durch die Steherei hatte ich Rückenschmerzen, Laune im Keller. Soweit ich mich erinner, haben wir The Darkness nicht gesehen, weil ich so durch war, dass ich nach Hause wollte. Null Frustrationstoleranz an dem Abend.

    Bosse ist mir ungut in Erinnerung geblieben, den mag ich nicht mehr. Ich war mit einer Freundin, ebenfalls vor langer Zeit, bei einem Bosse Konzert. Im Palladium. Palladium nie eine gute Idee für mich. Die Vorband war nett, spielte drei oder vier Lieder, Bosse kam auf die Bühne „Jippie! Juchhu! Das war die Band …! Bis später!“ Äh, wie? Bis später? Wo geht er hin? Nach ungefähr 1,5 Stunden kam er dann mit seiner Band wieder. Laune abermals im Keller. Ich hatte inzwischen Rückenschmerzen. Ich bin grundsätzlich keine Miese-Petra. Stehen und warten machen mich zu einem anderen Menschen.

    Mittlerweile habe ich natürlich dazugelernt. Konzerte ohne Sitzplatz – ohne mich! Das Alter! Sehr gerne gehe ich in die Kölner Philharmonie. Die Vorstellung beginnt pünktlich! Und viele Sitzplätze. Letztes Jahr waren mein Sohn und ich bei Xatar. Sehr, sehr gut! Leider ist Xatar verstorben.

    Dieses Jahr waren wir bei Samy Deluxe & Mikis Takeover! Ensemble. Man lernt nie aus… und es tut mir sehr leid, das zu sagen. Cembalo geht gar nicht. Was ist das für ein Instrument? Was soll das? Beim ersten Lied dachte ich: „Aha! Originell. Ein Cembalo.“ Schon beim zweiten Lied dann der Gedanke: „Ja, gut! Habe ich das auch mal live gehört. Reicht dann auch.“ Dieses Instrument wirkt bei mir absolut nervtötend! Cembalo für mich No-go!

    Da fällt mir ein. Außerdem waren wir bei Lars Eidinger, der Berthold Brecht vorträgt. Es könnte sein, dass da ein Cembalo gespielt wurde, aber nur kurz… Es gab ein Klavier, eine Orgel, ein Keyboard (?), eine Melodica, ein Harmonium, nicht gespielt von Lars Eidinger, sondern von einem Musiker, Hans-Jörn Brandenburg. Ich weiß nicht, wie mir das gefallen hat. Der Musiker war gut und Lars Eidinger war Lars Eidinger. Es waren ein paar Hardcore-Lars-Eidinger-Fans im Publikum. Weiß ich jetzt auch nicht.

    Lars Eidinger, den hatte ich bereits bei einem Deichkind Konzert gesehen, auf der Bühne, bei dem er aber eine Ski-Maske trug, um nicht erkannt zu werden? Also, das hat nicht so gut geklappt. Das Video, das vor dem Konzert, gezeigt wurde… Weiß ich auch nicht. Lars Eidinger als lebender Pinsel. Am Ende des Konzerts tanzten alle gemeinsam auf der Bühne. Diese Ernsthaftigkeit, mit der er die Beine in die Luft warf, werde ich nicht vergessen. Der ist einfach voll drin in dem, was er tut. Aber so was von.

    Ich bin ja oft raus. Stehplatz mit Rückenschmerzen, bin ich so raus. Stehplatz mit Rückenschmerzen und Wartezeit. Nee, nix für mich. Das werde ich Bosse nie verzeihen und ich werde nie wieder ein Lied von ihm hören. Komplett raus! Zwei Stücke begleitet vom Cembalo und Ciao, ich verabschiede mich. Bei Lars Eidinger bin ich weder drin noch draußen. Das weiß ich nicht, muss ich auch nicht.

    Ich bin ja auch weder drin noch draußen bei Heinz Strunk. Was ist da los mit mir? Zu einer Veranstaltung mit Lars Eidinger werde ich vermutlich nicht mehr gehen, habe ich erlebt und gut. Zu Heinz Strunk werde ich immer gehen, wenn er in der Nähe ist. Zauberberg 2. Ja, kann man lesen… kann man auch sein lassen. Die Lesung war sehr kurzweilig. Stadthalle in Köln-Mülheim, mit Sitzplatz natürlich. In der ersten Reihe, was Zufall war. Bestplatz-Garantie.

    Die Heinz Strunk Show vor mehreren Jahren im Gloria. Schlimm. Heinz Strunk Show in der Kulturkirche Nippes sehr gut! Mit tollen Ohrwürmern… Mega Döner, Giga Döner…

    Also, ich bin etwas vom Thema abgekommen. Reizthemen waren heute: Stehplatz, Stehplatz mit Wartezeit, mehr als ein Stück mit Cembalo-Begleitung. Alles nicht weltbewegend, eigentlich total bedeutungslos, musste ich aber mal aufschreiben.

    All das werde ich nie vergessen, diese Genervtheit, diese Gereizheit. Es macht die Veranstaltungen unvergesslich! Unforgetable!

  • Reizthemen

    Es gibt drei Themen in meinem Leben, die mich unverhältnismäßig nerven, die regelrecht Hass in mir hervorrufen, obwohl mir diese drei Sachen komplett egal sein könnten. Sie passieren nämlich einfach, ich habe keine Kontrolle darüber, es könnte mich einfach kalt lassen.

    Wenn ich eines dieser drei Lebewesen sehe, steigt mein Puls, der Blutdruck direkt mit, ich kneife die Augen zusammen, balle die Hand zur Faust und denke: „Nein, nicht schon wieder!“

    Alle drei Lebewesen haben eine begrenzte Saison. Allerspätestens im Herbst ist diese vorbei, die Seele baumelt, kein reizendes Lebewesen im Blick, ich vergesse sofort die Existenz dieser Wesen und fühle mich im Frühling bzw. im Sommer schlagartig: s.o.

    1. Der Giersch

    Bis vor drei Jahren wusste ich gar nicht, was Giersch ist. Was das davor für eine schöne gierschfreie Zeit war. Hach! Vieles weiß man ja erst im Rückblick zu schätzen. Stellen Sie sich eine Frau außer Rand und Band vor, die im Garten mit der Giftspritze (ungefährlich für Bienen und alle anderen Lebensformen außer für den Giersch) herumläuft und den Kampf aufnimmt. Ja, vollkommen bekloppt, irrationale, aber lassen Sie mich!

    2. Die Fruchtfliege

    Vorgehen ähnlich wie unter 1. Außer das mit der Giftspritze. Ich stelle Fallen auf, in denen die Fruchtfliegen ertrinken. Erbarmungslos, moralisch fragwürdig. In der SZ habe ich einen Artikel darüber gelesen, dass Fruchtfliegen gerne Karussell fahren. Wie soll ich denn bitte in Zukunft, eine Fruchtfliege ertrinken lassen, die gerne Karussell fährt. Ich werde demnächst Lebendfallen besorgen.

    3. Der Spargel

    Ich habe gerade auf Mastodon den ersten Tröt zum Lieblingsgemüse der Deutschen gelesen. Bitte mal Deutschlandtrend zu Gemüse durchführen, bitte! Es gibt doch kaum ein Gemüse, dass so nervig ist wieder der Spargel! Meine Meinung. Schon dieses ganze Theater mit dem Anbau. Kleine Hügel werden aufgeschüttet, für den Maulwurf unter den Gemüsesorten und diese dann mühevoll mit Plastikplanen zugedeckt, die eine Seite schwarz, die andere weiß, die dann gedreht und gewendet wird, damit es dem Spargel nicht zu warm oder zu kalt ist. Und die Sonne, die darf natürlich den Spargel nicht bescheinen. Der bleibt dann nicht mehr weiß! Und in Deutschland ist weiß sein schon lange das Ideal.

    Zudem wollen Deutsche zwar Spargel essen, aber nicht selber ernten. Das ist nämlich sehr beschwerlich. Das Spargelstechen. Da kommen dann bitte doch Gastarbeiter*innen, die bitte nicht zu gut bezahlt werden sollen (s. Fleischindustrie), denn der Spargelpreis soll nicht zu hoch sein. Wir lassen uns doch den Genuss nicht durch zu hohe Preise verhageln!

    Die ganze Sache um den Spargel wird damit abgerundet, dass der Spargel im Dritten Reich ein arisches Gemüse war. Ich brech ab, der Spargel durch. Der Spargel kann natürlich nichts dafür, der macht einfach sein Ding, während Deutsche ein Ding aus Spargel machen.

    In den kommenden Wochen werde ich wie jedes Jahr so viel über Spargel erfahren, wie ich es nie wollte.

    Ich persönlich rede gar nicht gerne über Lebensmittel. Ich möchte sie einfach essen. Deswegen habe ich hier schon zu viel über ein Gemüse geschrieben. Wenn ich Spargel esse, nur den grünen. Der muss nicht geschält werden.

    Die Nazis haben alles angeeignet, was sie für ihre Ideologie verwenden konnten. (Auch Gemüse.) Sie haben nichts von Bedeutung erschaffen. Sie sind ekelerregend! Nazis, AfD und Co. ist auch ein Reizthema, was mir nicht egal sein kann.

  • Red Flags für Farbfehlsichtige

    Spontaner Gedanke:

    Zeigt die Amel rot, bleib steh’n.
    Zeigt die Ampel grün, dann geh’n!

    Wer eine Rot-Grün-Schwäche hat, kann unter Umständen wenig mit diesem Reim anfangen. Bei Ampeln, bei denen die Farben immer gleich angeordnet sind, gibt eben diese Anordnung eine Orientierung. Ob aber ein Licht an einer Armatur rot oder grün leuchtet, da kann es bei der Einordnung schon schwierig werden. So gibt es einige Berufe, die von Menschen mit einer Rot-Grün-Schwäche nicht ausgeführt werden dürfen. Der Film Little Miss Sunshine lehrte mich, dass Astronaut*in als Traumberuf von der Liste gestrichen werden muss. Ein Besuch bei der Augenärztin mit meinem Sohn begrenzte diese Liste weiter.

    Wie immer im Leben ist die Wahrnehmung der Welt eine höchst individuelle Angelegenheit.

    Letztes Jahr habe ich begonnen mich mit dem Thema Wechseljahre zu beschäftigen. Der Versuch einer ersten Orientierung war der Blick in die populär-wissenschaftliche Literatur, die die Wechseljahre als Chance lobt.

    „Women on Fire!“ (Verbrennen als Chance – Seitenblick zum Phönix)

    Selbstoptimierung at its best. In meinem Kopf ploppt der neoliberale Business-Kasper Christian Lindner aus der Box und faselt: „Ein Risiko ist eine dornige Chance!“ Also einfach kräftig zugreifen. Wechseljahre umarmen, bevor sie dich erwürgen.

    Sehr wichtige Themen rund um die sich annähernde Menopause außerdem: Abnehmen und Natürlichkeit. Grundtenor aller Ratschläger… pardon Ratgeber: Ausreichend Schlaf, ausgewogene Ernährung, moderate Bewegung! Die Dreifaltigkeit der Einfältigkeit.

    Ich schweife ab. Was will ich damit sagen? Diese Reflexhaftigkeit alles als Chance zu betrachten, was vielleicht auch einfach nur ein ganz großer Scheißdreck oder eine nicht veränderbare Tatsache oder etwas ganz anderes ist, diese Reflexhaftigkeit, die verdanken wir den kapitalistischen, klassizistischen, rassistischen, patriarchalen, neo-liberalen, etc. Strukturen unserer Lebenswelt. „Jede*r ist des eigenen Glückes Schmied!“ Ich kotze.

    Wer die Herausforderung nicht annimmt, der*dem mangelt es am richtigen Mindset. In den überwiegenden Fällen bitte einmal Mindset durch Herkunft oder Finanzstatus ersetzen.

    Der Texteinstieg sollte eigentlich zu einem anderen Thema führen, was ich nun aufgebe, um hier einen von mir erprobtem Hinweis zum Thema Wechseljahre zu geben.

    Ein Drittel, der Menschen, die die Wechseljahre durchleben, merken nichts, die flutschen einfach so durch. Ein Drittel merkt Veränderungen, die ihr Leben nicht oder nur gering einschränken. Das letzte Drittel hat gesundheitliche Beschwerden und erlebt sie als belastend. Schade eigentlich, dass ich zum letzten Drittel gehöre.

    Nachdem ich mehr als 10 Jahre mehr oder weniger depressiv war, war meine Toleranz für Mittel, die erst nach längerer Einnahme oder eben gar nicht wirken, erschöpft. Nachdem ich begriffen hatte, dass meine Beschwerden auf den Rückgang von Progesteron und Östrogen zurückzuführen sind, ließ ich mir diese als Hormonersatz-Präparate verordnen. Von einem Tag auf den anderen keine Hitzewallungen, keine Schlafstörungen und keine Magenschmerzen mehr. Weitere Beschwerden verbesserten sich im Verlauf der Einnahme.

    Es gibt vermutlich Menschen, die mit der Einnahme von z.B. Mönchspfeffer, ihre Beschwerden erfolgreich vermindern können. Natürlich helfen gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, moderate Bewegung sicher auch, immer, bei allem. Als Basis. Aber wie ich zu ausreichend Schlaf kommen soll, wenn die Schlafstörungen durch einen Mangel an Progesteron verursacht werden, ohne eine Hormonersatztherapie? Es bleibt ein Rätsel oder der Titel eines neuen Ratgebers: „Schlafstörungen als Chance!“

  • Die Note 4 ist die neue 3

    Die Note 4 ist die neue 3

    Der Wertekompass

    Verehrte Damen und Herren, heute geht es um Werte. Werte sind – wie Sie sicher wissen – wichtig. Der Wertekompass zeigt den Weg an. Bitte hier entlang. Wenn Sie sich für Ihre Werte interessieren, können Sie diese hier einmal ermitteln: https://einguterplan.de/werte-test/ (keine Werbung). Gerne mehrfach, Werte können sich ändern.

    Bei mir auf Top 1 und unangefochten: Ordnung

    Wenn im eigenen Leben über lange Zeit so gut wie nichts in Ordnung war, da kann es wohl passieren, dass die Ordnung im Äußeren, die mit der Hand am Arm (wie mein Vater zu pflegen sagte) selbst hergestellt werden kann, eine große Bedeutung hat. Wobei natürlich auch die innere Ordnung nicht zu vernachlässigen ist. Die meinen Erfahrungen gemäß nicht so einfach herzustellen.

    Als ich unter dem o.g. Link den Werte-Test durchführte, überraschte mich das Ergebnis und es überraschte mich auch nicht. Ordnung. Geht es denn noch langweiliger? Moment, ich schaue gerade einmal, welche Werte es noch gibt. Nein, ich konnte nichts Langweiligeres finden. Ordnung. Das ist doch auch ein sehr weitgefasster Begriff. Studienordnung, Öffentliche Ordnung, Weltordnung, Recht und Ordnung, Rangordnung usw. usw.

    Sein Leben nach der Ordnung auszurichten, erscheint mir doch zu diffus. Das muss doch konkreter gehen. Sehr unzufriedenstellend!

    Aber natürlich merke ich in meinem Leben sehr deutlich, was es bei mir auslöst, wenn etwas nicht in geordneten Bahnen verläuft. Wenn ich jetzt schreiben, dass 4 von 5 Leuten in unserem Haushalt von ADHS ohne Hyperaktivität betroffen sind (ich nicht), können Sie sich vielleicht im Groben vorstellen, dass hier einiges nicht in geordneten Bahnen – so wie ich sie mir vorstelle – verläuft. Aus verschiedenen Gründen, die ich mir heute nicht mehr erschließen will, leben hier ebenfalls zwei Katzen, ein Kater und eine Hündin. Die sind der Aufrechterhaltung der Ordnung im und um das Haus nicht zuträglich.

    In den Jahren konnte ich meine Toleranzgrenzen in Bezug auf Ordnung ausdehnen. Das ist gut. Es hat auch mit dem reinen Selbstschutz zu tun. Es ist unmöglich, für vier andere Menschen und vier Tiere, einen Grad von Ordnung aufrechtzuerhalten, wie ich ihn gerne hätte. Ich will nicht jammern, es gibt natürlich wichtigeres im Leben, das ist mir klar. Aber trotz allem versetzt mir Chaos einen Stich.

    Als ich vor langer, langer Zeit in die Schule kam, war das himmlisch! Es gab Regeln für alles, die ich schnell begriff und mich gerne daran hielt. Das gibt Orientierung und gute Noten. Dass meine Kinder nie gerne zur Schule gegangen sind und wir zudem sehr viel Zeit in Gesprächen mit Lehrer*innen, Schulpsycholog*innen, Familienberater*innen und anderen verbrachten (überwiegend ich allein), werde ich wahrscheinlich nicht oder nur sehr schwer überwinden können.

    Erstaunlich ist auch, dass in all diesen Gesprächen nie jemand vom geschulten Personal das Thema ADHS ansprach. Im Rückblick fast unbegreiflich. Auch Lehrkräfte schauen mich heute noch mit leeren Augen an, wenn ich sage, dass ADHS vorliegt.

    Langsam nähern wir uns dem Problem. Die Frage, die mich also die letzten 13 Jahre mal mehr oder weniger beschäftigt: „Was mache ich mit meinem Kind, dass könnte, wenn es wollte?“ Seit einigen Jahren mit der Unterstützung von sachkundigem Fachpersonal. (Die Frage ist natürlich sehr verkürzt und wird den Schwierigkeiten, die unter ADHS auftreten, nicht gerecht.)

    Wenn ich mit meinem Kind rede und der Frage nachgehe, ob es nicht besser ist, sich jetzt aber wirklich mal ins Zeug zu legen, für die letzten Monate, um dann erfolgreich die Mittlere Reife zu schaffen, oder sich weiter mit großer Leidenschaft der eigenen Schulunlust hinzugeben, um dann die zehnte Klasse zu wiederholen, und ich dann in ähnlich leere Augen blicke wie die der o.g. Lehrkräfte, dann bricht meine kleine Welt der Ordnung zusammen.

    Ja, natürlich ist eine „Ehrenrunde“ kein Beinbruch.

    Es ist einfach unvorstellbar anstrengend, schulunlustige Kinder seit 13 Jahren zu begleiten. Ich hatte mich damit abgefunden, dass die Note 4 die neue 3 ist, nachdem ich mich schon von der 2 verabschiedet hatte. Die eigene Prägung auf gute Leistungen lässt sich nicht so einfach überwinden, so sehr ich mir das seit mehr als einem Jahrzehnt auch gewünscht habe. Es wäre ja für mich selbst die allergrößte Erleichterung.

    Natürlich wissen meine Kinder, wie ich zum Thema Schule stehe, und die ist wesentlich facettenreicher, als ich das hier beschreiben möchte. Schule ist nicht alles im Leben. Sie war aber in meinem Leben eine Art tägliche Flucht aus dem heimischen Chaos und damit auch eine Art von Rettung.

    So, da sitze ich mit meinem Kind. Es ist schlau, es könnte. Eine 5 auf dem Zeugnis kann ich mittlerweile auch verkraften, schwer, sehr schwer. Mehr als eine 5 ist möglich, muss aber mit befriedigenden Leistungen ausgeglichen werden… Heute rechne ich mit mehr als einer 5 und eher keinen befriedigenden Leistungen.

    Mein Kopf, mein armer Kopf. Das ist doch gar nichts in Ordnung! Mit den Noten! Das geht doch nicht so. Das Kind weiß das. Ich weiß das. Alle wissen das! Und am Ende immer nur leere Augen, die mich anblicken.

    Seit letztem Jahr lautet mein Motto: Depressionsprävention! Wer depressiv war, will das nicht mehr werden. Es gibt einiges, was ich machen kann, um zu begünstigen, dass ich nicht mehr depressiv werde. Es gibt aber keine Garantien. Ich bin sehr fleißig darin, stabil zu bleiben. Ich muss auch aufpassen, nicht zu fleißig zu sein. Es gibt ja auch zu viel des Guten und am Ende bin ich so erschöpft, dass ich dann doch wieder in eine Depression rutsche. Es ist kompliziert.

    Depressionsprävention + ADHS4 + Schulprobleme + Leben = Herausfordernd

    Seit gestern versuche ich eine Lösung für das Schulproblem zu finden und obwohl ich weiß, dass wir alles getan und alles in die Wege geleitet haben, bin ich auf der Suche. Unvorstellbar wie viele Ideen ich entwickeln kann. Viele Ideen haben mit Gesprächen zu tun… s.o. und während ich das denke, lache ich und weine ich und bin ratlos.

    Auch das geht vorbei. Es dauert 3 Monate oder 15 Monate. Falls es länger als 15 Monate dauert, dann geht das auch vorbei. Amen!

  • Mein Jahresrückblick 2024

    Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war Dein Jahr?

    Ein Jahr im Aufwärtstrend, irgendwo zwischen 5 und 8.

    Zugenommen oder abgenommen?

    Erst abgenommen, dann zugenommen.

    Haare länger oder kürzer?

    Länger.

    Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

    Weitsichtiger.

    Mehr Geld oder weniger?

    Weniger.

    Mehr ausgegeben oder weniger?

    Mehr.

    Der hirnrissigste Plan?

    Einen Selbstmitgefühlskurs in einem Meditationszentrum besuchen. Einen Selbstmitgefühlskurs belegen, halte ich weiterhin für eine gute Idee. Aber Meditationszentrum, Gruppenkurs, im Kreis auf dem Boden sitzen und Tee trinken, Partner*innenübungen mit Fremden, esoterische Stimmung, das hatte ich alles so erwartet und dachte, dass ich damit parat komme. Einen Versuch war es wert. Nach drei Terminen bin ich nicht mehr hingegangen. In der Kombination zu viel für mich.

    Die gefährlichste Unternehmung?

    Auch im Jahr 2024 habe ich gefährliche Situationen vermieden.

    Das leckerste Essen?

    Kulinarisch war 2024 enttäuschend. Es fehlte an der Lust zu kochen und neue Restaurants zu besuchen.

    Das beeindruckendste Buch?

    Jenny Erpenbeck, Geschichte vom alten Kind

    Helga Schubert, Vom Aufstehen

    Ewald Frie, Ein Hof und elf Geschwister

    Das Buch „Ein Hof und elf Geschwister“ habe ich gehört, während ich Fliesen lackiert habe. Zu dieser Tätigkeit passte der Inhalt perfekt. Es ist sehr unaufgeregt und sachlich geschrieben. Was mich daran beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass der Autor und seine 10 Geschwister in gutem Kontakt sind. Für mich unvorstellbar.

    Der ergreifendste Film?

    Anatomie eines Falls.

    The Outrun.

    Wicked.

    Der Film hat mich deswegen beeindruckt, weil ich nichts erwartet hattet, außer dass die Länge von 158 Minuten Langeweile erzeugen würde. Tatsächlich war er sehr kurzweilig und unterhaltsam.

    Die beste Serie?

    Der talentierte Mr. Ripley

    Die beste CD?

    Das beste Album. Justice – Hyperdrama

    Ich bin immer noch nicht darüber weg, dass Daft Punk sich „aufgelöst“ hat. Die Musik von Justice ist aber ein kleiner Trost.

    Die meiste Zeit verbracht mit…?

    me, myself and I. Meinem Mann und den Kindern.

    Das schönste Konzert?

    NDR Elbphilharmonie Orchester / Igor Levit / Alan Gilbert – Bartók: Klavierkonzert & Herzog Blaubarts Burg – Kosmos Bartók

    Die Oper Herzog Blaubarts Burg hat mich einfach umgehauen. Bedauerlicherweise ist mir das Klarvierkonzert von Igor Levit nicht gut in Erinnerung geblieben bzw. es hat keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dass er dann im Rahmen der Veranstaltungsreihe Kosmos Bartók ein Stück von Brahms als Zugabe spielte, hat mich sehr irritiert. Ich werde bei nächster Gelegenheit ein Konzert mit Igor Levit besuchen und hoffe auf beeindruckende Momente.

    XATAR feat. heavytones in der Kölner Philharmonie

    Die schönste Zeit verbracht mit…?

    mir.

    Vorherrschendes Gefühl 2024?

    Entsetzen in Bezug auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

    2024 zum ersten Mal getan?

    Bioidentische Hormone genommen.

    2024 nach langer Zeit wieder getan?

    Eine letzte Sitzung bei meinem Therapeuten, nachdem die maximal mögliche Anzahl der Therapiestunden „abgesessen“ war.

    3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?

    AfD und alles was damit zusammenhängt.

    Wechseljahrs-Beschwerden.

    Lagerungsschwindel.

    Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

    Mich davon, zu kündigen.

    Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

    Ich schenke gerne, weiß aber nicht, was das schönste Geschenk gewesen ist.

    Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

    Konzertkarten für Jamiroquai (die ich mir gewünscht hatte).

    Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

    Ich weiß es nicht.

    Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

    Ich weiß es nicht.

    Besseren Job oder schlechteren?

    Aktuell gar keinen.

    Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?

    Nein.

    Mehr bewegt oder weniger?

    Mehr.

    Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?

    Mehrere Erkältungen, Beschwerden, die sich als Wechseljahrs-Symptome herausstellten, dies und das.

    Davon war für dich die Schlimmste?

    Lagerungsschwindel. Sonntags allein im Hotelzimmer in München.

    Dein Wort des Jahres?

    Leichtigkeit.

    Dein Unwort des Jahres?

    Remigration.

    Dein Lieblingsblog des Jahres?

    vorspeisenplatte.de

    Maultaschen oder Ravioli

    ankegroener.de

    Dein größter Wunsch fürs kommende Jahr?

    Stabilität.

    2024 war mit 1 Wort…?

    lehrreich.

  • Nussschale

    Die schlimmste Lesung – wie ich meine – fand ungefähr im Frühjahr 2017 in Köln statt. In der seelenlosen Halle am Tanzbrunnen.

    Ian McEwan interviewt von seinem Übersetzer, der auch das zu diesem Zeitpunkt aktuelle Werk „Nussschale“ ins Deutsche übersetzt hatte.

    Den knappen Roman hatte ich bereits vor der Veranstaltung gelesen und mir war natürlich folgendes keine Sekunde bewusst:

    „An der Oberfläche ist die erzählte Geschichte leicht wiederzuerkennen als eine Variante von Shakespeares Drama Hamlet, worauf auch die Namensgebung der zwei erwachsenen Hauptpersonen hinweist: Trudy (bei Hamlet Gertrude) heißt die werdende Mutter und Claude (bei Hamlet Claudius) ihr Geliebter.“ Quelle: Wikipedia

    Leicht wiederzuerkennen… Für wen eigentlich? Natürlich kenne ich Shakespeare und Hamlet. Hamlet – ein dänischer Prinz. Warum schreibt ein englischer Autor im 17. Jahrhundert eine Geschichte über einen dänischen Prinz? Eine Frage, die ich mir irgendwann stellte, und keine Antwort darauf wollte. Wissen oder nicht wissen – das ist hier keine Frage.

    Jedenfalls hatte der Moderator aka der Übersetzer da irgendwas verwechselt oder er ergriff die einmalige Gelegenheit nicht den Autor ins Rampenlicht einer Lesung zu stellen, sondern den Übersetzer, der im Allgemeinen eher eine Schattenfigur ist.

    Er schwafelte in so umschweifenden Sätzen und Formulierungen, natürlich erst in Deutsch und dann anschließend höchstpersönlich ins Englisch übersetzt, dass mir bis heute vom kompletten Gespräch nichts in Erinnerung geblieben ist. Er redete mich um Kopf und Kragen. Er plauderte in einem selbstverliebten Ton gegen die eigene Unbedeutsamkeit an, so dass Ian McEwan kaum zu Wort kam.

    Ich will die Bedeutung von Übersetzer*innen nicht herabwürdigen, doch ist es nicht so, dass Menschen zu Lesungen kommen, um Autor*innen zu erleben?

    Ein weiterer Höhepunkt war ein Schauspieler, der just zu dieser Zeit den Hamlet auf der Bühne gab. Er sollte Passagen aus Shakespeares Werk vorlesen. Es war schon schlimm, jetzt wurde es schlimmer. Der Schauspieler stotterte sich durch den Text. Kein Satz kam gerade heraus, er verhaspelte sich durchgehend. Er tat mir sehr leid. Die Leute ringsherum begannen zu lästern. Was ist denn da los? Kann er nicht lesen?

    Vielleicht war es einfach so, dass Ian McEwan sich an diesem Abend unpässlich fühlte. Vielleicht war er bereits seit Wochen durch Europa auf Lesereise gewesen. Von Tag zu Tag schwand die Motivation. Jeden Abend die gleichen Fragen, immer wieder die selben Textpassagen vorlesen. Das muss doch beim besten Willen irgendwann an den Nerven zehren.

    Dann endlich die finale Veranstaltung in Köln. Ian McEwan hat sich im seelenlosen Backstage-VIP-Raum die Decke über den Kopf gezogen, nachdem er die Tür von innen abgeschlossen hatte. „For God‘s Sake! Ich will nicht mehr! Ich habe eigenhändig dieses Buch geschrieben! Was denn noch alles? Fuck off! Den Rest soll jemand anders machen.“

    Und so musste spontan gehandelt werden. Ob er denn wenigstens bereit wäre, auf der Bühne zu sitzen? Er müsse wirklich nur ganz schmallippig ein paar Fragen beantworten, wenn er wolle reiche ein kurzes Nuscheln oder ein vielsagender Blick. Der Übersetzer würde das schon machen. Und wie durch Zufall könnte der Schauspieler heute Abend spontan einspringen und zur Abwechslung Shakespeare vortragen. Bitte, Herr McEwan. Please.