Mein bester Freund war Nils. Unsere Freundschaft dauerte ungefähr fünf oder sechs Jahre. Wir wohnten in der gleichen Siedlung, wir gingen auf die gleiche Grundschule. Mit dem Wechsel auf unterschiedliche weiterführende Schulen und durch den Umzug von Nils in einen anderen Teil der Stadt nahm der Kontakt mit der Zeit immer mehr ab.
Aber im Grundschulalter verbrachten wir fast jeden Tag miteinander. Wir sprachen darüber, dass wir später heiraten würden und machten Pläne. Die Nachmittage verbrachten wir draußen oder wir waren bei Nils. Seine Mutter war berufstätig und ich mochte es sehr dort zu sein, wahrscheinlich weil wir dort oft ungestört waren.
Nils hatte sogar einen Schallplattenspieler. Ich musste mir den Kassettenspieler mit meiner Schwester teilen. Er hatte u.a. „Die drei Fragezeichen und der unheimliche Drache“ als LP und eine LP mit Sommerhits. Darauf waren Hits wie Bodo mit dem Bagger von Mike Krüger, Goethe war gut von Rudi Carrell und Presslufthammer Bernhard von Torfrock. Selbstverständlich Lieder, die ich immer noch unheimlich gerne höre… Es war natürlich nicht so, dass wir nichts hatten, aber die Auswahl an Musik war sehr eingegrenzt, youtube war noch nicht erfunden, eine LP kostete mindestens 20 Mark und so mussten wir mit dem zufrieden sein, was wir hatten. Wir hörten die LP also sehr, sehr oft. So oft, dass ich mich an den Text von Goethe war gut noch immer sehr gut erinnern kann.
Auf der LP war auch der Song Sunshine Reggea von Laid Back, einer dänischen Band. Den musste Nils immer überspringen.
Meine Mutter war der Überzeugung, dass es sich bei Reggea Music um Teufelsmusik handelte. Ich habe nicht gefragt, warum. Ich glaube, ich habe meine Mutter nie nach Gründen gefragt. Ich habe keine Ahnung, wie meine Mutter auf diesen Gedanken kam. Das ist keine Frage, die mich beschäftigt. Ich weiß, dass es sich um haarsträubenden Blödsinn handelt Reggea und in Verbindung mit dem Teufel zu bringen! Als Kind habe ich es geglaubt.
Ich fürchtete mich davor Sunshine Reggea zu hören und mein Vater hörte Zuhause Black Sabbath und Judas Priest. Wobei ich auch diese Bands nicht mit Okkultismus oder Satanismus in Verbindung bringen würde, aber das war damals ein riesen Thema. So wie auch versteckte Teufelsbotschaften in Liedern. Wir haben Zuhause Tonbänder rückwärts abgespielt, konnten aber nichts finden…
1989 brachte Madonna das Lied Like a Prayer raus. Das Video dazu war für meine Mutter die pure Blasphemie. Ich war aber inzwischen in einem Alter, in dem mir egal war, was sie sagte.
Ich trage meiner Mutter nichts nach. Die Dinge, die sie mir erzählte, waren für sie Tatsachen oder entsprachen ihren Überzeugungen. In vielen Fragen bat mir meine Mutter Orientierung. Und zwar die Orientierung, es nicht so zu machen wie sie.
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