Meiner Mutter wurde vom Arzt dazu geraten, sich aus medizinischen Gründen sterilisieren zu lassen. Da sie bereits drei Kinder hatte, stimmte sie zu. Welche Gründe das waren, weiß ich nicht. Als Kind glaubte ich, was meine Mutter erzählte, und es kam mir nicht der Gedanke, nachzuhaken. Als mir Zweifel kamen, habe ich das hingenommen und nicht nachgefragt. Man könnte auch sagen, dass es bei uns keine offene Gesprächskultur gab. Es gibt also viele Erzählungen, bei denen ich vom Wahrheitsgehalt nicht gänzlich überzeugt bin.
Und so werde ich einfach das schreiben, was mir erzählt wurde.
Sie wurde also sterilisiert und was keiner ahnte, sie war zu diesem Zeitpunkt schwanger. Mit mir. Da sie sich immer viele Kinder gewünscht hatte, freute sie sich darüber. Details der Schwangerschaft kenne ich nicht. Wenn ihr von weiteren Schwangerschaften abgeraten wurde, war es dann eine Risikoschwangerschaft? Gab es diesen Begriff überhaupt schon? Ich gehe davon aus, dass soweit alles nach Plan lief, denn nach 40 Schwangerschaftswochen wurde ich geboren.
Meine Mutter ist der Überzeugung, dass eine Geburt keine Schmerzen bereitet, insofern man die richtige Atemtechnik anwenden würde. Sie erzählte immer wieder von ihren vier Geburten, während denen sie die anderen Frauen, die ihre Kinder bekamen, vor Schmerzen schreien hörte, und sie zu dem Schluss kam, dass diese sich anstellen würden. Keine Frage, dass ich auch das als Kind geglaubt habe. Ich änderte meine Meinung aber lange bevor mein erstes Kind geboren wurde.
Meine Geburt war für meinen Vater die erste, bei der er dabei war. Er wäre auch bei den anderen Geburten dabei gewesen, aber es ging nicht. Warum? Weiß ich nicht.
Unter der Geburt hatte sich die Nabelschnur um meinen Hals gelegt, die Herztöne wurden langsamer, ich schluckte Fruchtwasser, alles sehr dramatisch. Als ich dann auf der Welt war, waren meine Eltern überglücklich. Mein Vater soll immer wieder meine Finger und Zehen gezählt haben, um sich davon zu überzeugen, dass alles an mir dran war. Während der Schwangerschaft wurde meinen Mutter gesagt, dass sie damit rechnen soll, dass ich behindert sei. Gründe dafür sind mir auch nicht bekannt. Ihre Erleichterung darüber, dass ich gesund geboren wurde, war groß.
Ich bekam eine Lungenentzündung und entwickelte eine Neugeborenengelbsucht. Deshalb wurde ich relativ kurz nach der Geburt in ein Kinderkrankenhaus verlegt, meine Mutter blieb im Krankenhaus. Mein Vater musste zurück zu meinen Geschwistern.
Im Kinderkrankenhaus verbrachte ich die Zeit in einem Brutkasten. (Ich hatte als kleines Kind gar keine Vorstellung, was ein Brutkasten ist.) Gelbsucht und Lungenentzündung hatte ich gut überstanden, aber die Ärzte sagten, dass ich erst nach Hause könnte, wenn ich zugenommen hätte. Aber wenn Fütterungszeiten waren, schlief ich, wenn ich wach und hungrig war, bekam ich nichts zu essen, da die Fütterungszeiten zu Ende waren.
Meine Eltern konnten es nur schwer aushalten, dass ich nicht bei ihnen war. Sie waren der Auffassung, dass ich abgesehen von der fehlenden Gewichtszunahme kerngesund wäre. Nach vier Wochen fasste mein Vater einen Entschluss, er würde mich nach Hause holen. Meine Mutter nahm Kontakt zum Kinderarzt auf, um zu klären, ob er bereit wäre mich medizinisch zu betreuen. Er stimmte zu.
Mein Vater fuhr ins Krankenhaus und forderte, dass die Ärzte mich entlassen. Sie verweigerten dies und nach langen Diskussionen und Hartnäckigkeit meines Vaters, blieb ihnen nur mich gegen medizinischen Rat zu entlassen. Da meine Eltern zu dem Zeitpunkt keine Babywanne oder ähnliches hatten (Womit wurden Babys transportiert, bevor es Babyschalen gab?), legte mein Vater mich in eine Einkaufstasche. Jedenfalls erzählte meine Mutter, dass es eine Einkaufstasche war. Vielleicht war es ein Einkaufskorb? Er ging mit mir in der Tasche und die Ärzte verabschiedeten ihn, mit der Aussage, dass er im Fall von Problemen nicht mehr mit mir zurückkommen könne.
Zuhause war die Freude groß, die Familie war komplett. Und so begann es, mein Leben!
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