„Sie rationalisieren! Wenn Sie Ihre Erlebnisse schildern, klingt es wie eine Berichterstattung. Als würde ich einen Artikel in einer Zeitung lesen. Sie sind meine einzige Patientin, die so sehr rationalisiert.“
Obwohl ich sehr leistungsorientiert bin, hatte auch ich verstanden, dass dies nicht als Lob gemeint war. Aber was wollte sie mir damit sagen? Vielleicht war es ein entscheidender Fehler zu Beginn der Therapie zu sagen, dass ich mir wünschte emotionaler zu sein. Wahrscheinlich hätte es den Verlauf der Therapie auch gut getan, ihr zu sagen, dass ich mit der Zeit zu dem Gedanken gekommen war, nicht mehr daran zu arbeiten mich zu verändern, sondern mich so anzunehmen, wie ich bin. Auch wenn das bedeuten sollte, dass ich ein rationaler Mensch bin. Fuck the heck! Was soll damit nicht richtig sein?
Die ersten Stunden hatte ich das Gefühl, dass sie, obwohl sie so ganz anders war als ich oder gerade deswegen, die richtige Therapeutin für mich wäre. Zu Beginn ging es mir nach den Sitzungen sehr schlecht, aber ich hatte gearbeitet, ich hatte einen Schritt getan. Innerlich sträubte sich bei dem Gedanken an den nächsten Termin alles in mir. Ich wollte nicht hingehen, tat es trotzdem. Immer die Schuhe ausziehen, beide Füße am Boden, Kontakt mit Mutter Erde. Ich ließ mich darauf ein. Ich gab ein Stück Kontrolle aus der Hand und versuchte die Dinge nicht zu hinterfragen, nicht zu zerdenken, wie sonst.
Aber mit der Zeit wurde mein innerer Widerstand größer. Ich wollte es mir noch nicht eingestehen und nahm die Termine weiter wahr. Ich wusste nicht mehr, was ich erzählen sollte. Also begann ich von den Schulproblemen meines Sohnes zu erzählen. Eine Sitzung, zwei Sitzungen, drei Sitzungen. Zum Schluss erzählte ich ihr dann sogar von den Gesprächen mit dem Schulpsychologen. Auch schön der Psychologin vom Psychologen zu erzählen. Und immer, wenn mir die Worte ausgingen, redete sie von Pferden. Wie sie die Pferde behandelt. Wie sie die Pferde reitet. Wie sie sich mit der Reitlehrerin unterhält. Wie man das Vertrauen, der Pferde gewinnen kann. Oder besser gesagt, wie sie das Vertrauen der Pferde gewinnen kann.
Pferde? Ich mag Pferde überhaupt nicht! Ich habe mir währenddessen überlegt, was sie mir mit der Pferde-Metapher sagen will. Bin ich das Pferd und sie die Reiterin? Oder bin ich die Reiterin und mein Leben das Pferd? Vielleicht wusste sie selbst auch nicht mehr, was sie sagen soll. Keine Ahnung, warum ich sie nicht einfach gefragt habe. Aber es führte dazu, dass ich zweifelte. War sie die richtige Therapeutin für mich? Ich erzählte seit Wochen von Schulproblemen und Elternabenden und sie schilderte ihre Erlebnisse aus dem Reitstahl. Das Ende war bereits in Sicht. Und wenn ich mal in diese Richtung geschaut hätte, hätte ich es auch sehen können!
Ich würde mir bei der Auswahl eines Therapeuten beim nächsten Mal wesentlich mehr Zeit nehmen und stärker auf mein Bauchgefühl hören. Mein Hausarzt hatte mir gesagt, dass er mir im Bedarfsfall so viele Verordnungen ausstellen würde, wie ich benötigen würde, um den richtigen zu finden.
Ich kann aber sagen, dass die Therapie Dinge angestoßen hat. Am Anfang sind sehr viele Steine ins Rollen gekommen. Die Sitzungen waren für mich eher eine Art Erinnerung daran weiterzuarbeiten, und zwar nicht während dieser, sondern während meines Lebens!
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