Flasche leer

Im Alter – so hörte ich – wird man kauzig… kauziger… am kauzigsten. Mit sehr viel Abstand wurde mir klar, dass mein Vater schon immer kauzig gewesen war. Mit dem Alter wurde er also kauziger.

Flasche auf – Flasche leer

Wann er anfing Pfandflaschen zu sammeln, weiß ich nicht. Vielleicht schon immer?! Was ist schon dabei, eine leere Pfandflasche aufzuheben und sie mitzunehmen?

Ich habe in meiner Kindheit mit meinem besten Freund auch Pfandflaschen gesammelt und am Kiosk gegen eine Tüte Gemischtes eingetauscht.

Noch eine Flasche auf – Flasche leer

Ab wann ist etwas komisch? Ungewöhnlich? Wenn der eigene Vater über das Stadtfest stromert und mit leeren Taschen nach Pfandflaschen stöbert? Ist das schon komisch? Oder ist es ein ungewöhnliches Hobby?

Noch eine Flasche auf – Flasche leer

Mit 15 oder 16 mit dem Vater in der Kneipe sein. Er zahlt den Deckel. Im Bett dreht sich alles. Ist das ein gemeinsames Hobby? Ist das gemeinsame Quality Time?

Glas voll – Glas leer

Die Taschen voll. Voll mit Schätzen. Zuhause die Taschen leeren und wieder raus. Pfandflaschen suchen. Es treibt ihn, es treibt ihn an. Das Pfand. Die leeren Flaschen – eine Sucht. Die Flaschen zu leeren – eine Sucht.

Noch eine Flasche auf – Flasche leer

Ein Mann, der Bier trinkt, ist kein Alkoholiker, denkt man. – Expert*innen empfehlen, nicht mehr als maximal 0,5 Liter Bier pro Tag zu trinken. – Ein halber Liter am Tag. Für Männer. Ein Viertelliter am Tag. Für Frauen.

Noch eine Flasche auf – Flasche leer

Wie ist es dann mit einem halben Kasten am Tag? Jeden Tag? Ein Mann, der einen halben Kasten leert, jeden Tag, sein ganzes Leben. Ist so ein Mann Alkoholiker?

Noch eine Flasche – der Kopf schon fast leer

Das Bier. Kühl. Der Kopf irgendwann auch. Das ist keine Lösung! Das ist nur ein Schein, eine Schein-Lösung. Mein Vater hat sich aufgelöst.


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