Kategorie: Allgemein

  • Mein Jahresrückblick 2017

    Ganz grob auf einer Skala von 1 bis 10: Wie war Dein Jahr?
    Ich halte nichts davon, ein Jahr zu bewerten. Es gab sicherlich bessere Jahre in meinem Leben, aber jetzt in diesem Moment, bin ich zufrieden und das ist, was für mich zählt.

    Zugenommen oder abgenommen?
    Zugenommen.

    Haare länger oder kürzer?
    Kürzer.

    Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
    Weder noch.

    Mehr Geld oder weniger?
    Weniger.

    Mehr ausgegeben oder weniger?
    Mehr.

    Der hirnrissigste Plan?
    Ich schaffe das alleine.

    Die gefährlichste Unternehmung?
    Die gefährlichste Unternehmung steht mir bevor. Ich fahre mit meinen Töchtern am 3. Januar in Mutter-Kind-Kur. Ich weiß, dass ich gute Gründe hatte, sie zu beantragen, ich kann mich aber gerade nicht an sie erinnern. Nach meinen Erfahrungen mit der Reha 2014 überwiegt momentan ein starkes Unbehagen, wenn ich an die Mutter-Kind-Kur denke.

    Die teuerste Anschaffung?
    Ein Notebook.

    Das leckerste Essen?
    Weihnachtsplätzchen.

    Das beeindruckendste Buch?
    Überlebensglück von Oskar Negt
    Nussschale von Ian McEwan
    Ich habe im März Lesungen von Oskar Negt und Ian McEwan besucht. Oskar Negt hat mich nachhaltig beeindruckt.
    Der Prozess und Die Verwandlung von Franz Kafka

    Der ergreifendste Film?
    Nicht alles schlucken – Ein Film über Krisen und Psychopharmaka. Sehr empfehlenswert!
    Der Dunkle Turm.

    Die beste Serie?
    Hap and Leonard

    Die beste CD?
    Hidden Beauty von Triosence

    Das schönste Konzert?
    Joey Alexander im Grillo Theater Essen
    Triosence im Pantheon Theater Bonn

    Die meiste Zeit verbracht mit…?
    meinen Kindern.

    Die schönste Zeit verbracht mit…?
    meiner Familie und Freundinnen.

    Vorherrschendes Gefühl 2017?
    Sehnsucht.

    2017 zum ersten Mal getan?
    Alleine gewohnt.

    2017 nach langer Zeit wieder getan?
    In unser Haus gezogen.

    3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
    Schulprobleme.
    Orientierungslosigkeit.
    Zweifel.

    Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
    Mich davon, dass ich mit mir und meinem Leben zufrieden sein kann.

    Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
    Verbündete: Ein Handbuch für Partnerinnen und Partner von Überlebenden sexueller Gewalt. (Nicht das schönste, aber ein sehr, sehr wichtiges.)

    Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
    Dasein, zuhören und Hilfe anbieten.

    Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
    „Komm, lass es uns den Kindern sagen.“

    Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
    „Ich liebe dich.“

    Besseren Job oder schlechteren?
    Weder noch.

    Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was?
    Ein Schnittmuster.

    Mehr bewegt oder weniger?
    Weniger.

    Anzahl der Erkrankungen dieses Jahr?
    Mehrere Erkältungen.

    Davon war für Dich die Schlimmste?
    Erkältungen sind nervig, aber nicht schlimm.

    Dein Wort des Jahres?
    Vertrauen.

    Dein Unwort des Jahres?
    Grundschule.

    Dein Lieblingsblog des Jahres?
    READ ON MY DEAR, READ ON.

    Dein größter Wunsch fürs kommende Jahr?
    Ein Thema für meine Bachelorarbeit finden und sie schreiben.

    2017 war mit 1 Wort…?
    Turbulent.

    Mein Jahresrückblick 2016

  • Skeptizismus

    Ich schreibe an einer Hausarbeit. Eigentlich… Denn ich schiebe das Schreiben vor mir her. Studieren zu können ist für mich traumhaft, aber Hausarbeiten sind ein Albtraum. Bisher habe ich nicht verstanden, warum das so schwer für mich ist. Vielleicht gibt es keinen Grund… oder die Qualen gehören für mich zum Schreiben dazu. Und wenn ich an meiner Arbeit nicht weiterkomme, dachte ich mir, kann ich hier etwas schreiben, was mir ebenfalls nicht einfach fällt. Die Worte aus meinem Kopf zu bekommen, ist tatsächlich häufig wie eine Art Kopfgeburt.

    Das heutige Thema Skeptizismus – meine Gedanken, meine Erfahrungen, meine Schwierigkeiten.

    Meine Tochter fragte mich: „Mama, woher weiß ich, dass die anderen Menschen keine Roboter sind?“ Ich liebe es, wenn meine Kinder solche Fragen stellen. Meine Antwort: „Das ist eine sehr gut Frage! Du kannst immer nur von dir selbst mit Sicherheit etwas wissen. Du weißt, dass du ein Mensch bist. Du weißt, dass du Gefühle hast. Aber was andere Menschen denken, was sie fühlen, wie sie fühlen, dass kannst du nicht wissen. Aber du hast sehr viel Mitgefühl und du kannst dir das alles vorstellen. Du kannst mitfühlen. Wenn du ein Kind siehst, das weint, dann kannst du erkennen, ob es dies aus Freude oder Traurigkeit tut und du kannst es nachfühlen. Glaube daran, dass alle Menschen Menschen sind.“

    Ich bin aufgrund meiner Kindheit viel zu lange in meinem Leben eine Zweiflerin, eine Skeptikerin gewesen.

    „Der Skeptizismus ist nicht die Entdeckung einer Unzulänglichkeit des menschlichen Wissens, sondern die Entdeckung der Unfähigkeit, den anderen anzuerkennen.“ (aus: Wo ich ende und du beginnst: Getrenntheit und Andersheit bei Stanley Cavell von David Gern, Seite 121)

    Ich habe nie an dem Gefühl gezweifelt, nicht gut genug zu sein. Ich war mir sicher, dass es viele Gründe gibt, mich nicht mögen zu können. Es war sehr einfach zu glauben, dass ich nicht ausreiche. Es ist mir schwer gefallen, Vertrauen zu haben. Ich habe es trotzdem geschafft, Menschen zu finden, denen ich vertraue. Das war aber bei jedem einzelnen ein langer Weg. Ein Abwegen, ein Prüfen. Kann ich das Risiko eingehen, mich diesem Menschen zu öffnen? Es war mir oft unbegreiflich, dass dort ein Mensch ist, der mich mag, so wie ich bin. Und es war ein Kampf mir einzugestehen, dass ich diesen Menschen auch mag.

    Die bereichernste Erfahrung war die Geburt meines Sohnes. Das erste Mal in meinem Leben liebte ich, einfach so. Da war kein Zweifel, kein Kampf, kein Hinterfragen. Und die glücklichsten Momente waren die Geburten meiner Töchter, die ich auch vom ersten Moment liebte. Einfach so. Bedingungslos.

  • Meine Therapie-Erfahrungen Teil 1

    Ich habe eine Hausarbeit einer jungen Studentin gelesen, die sich u.a. mit dem Thema beschäftigt, wie Psychotherapie in Filmen dargestellt wird. Sie verweist auf eine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Darstellungen keinen Bezug zur heutigen Realität haben. Die Heilung eines von einer psychischen Erkrankung Betroffenen erfolgt in Filmen entweder durch Liebe oder Katharsis. Im ersten Fall verlieben sich TherapeutIn und PatientIn und die Heilung erfolgt durch die Liebe zueinander. Im zweiten Fall kehren plötzlich die Erinnerungen des Patienten/ der Patientin an ein traumatisches Erlebnis dank des Therapeuten/ der Therapeutin zurück. Der Patient/ die Patientin ist damit direkt geheilt. (Als Beispiel fällt mir gerade der Film Herr der Gezeiten ein.)

    Diese Darstellung in Filmen prägt unbewusst die Vorstellungen und Erwartungen, die der Zuschauer/ die Zuschauerin von einer Therapie und deren Verlauf entwickelt.

    Vor ca. 4 Jahren und 6 Monaten las ich einen Spruch, so ähnlich wie der im Header. Ich war fest entschlossen, etwas in meinem Leben zu ändern und hatte die Erwartung, dass diese Änderungen schnell sichtbar werden würden. Ich hatte die Vorstellung, dass allein der Entschluss etwas zu ändern, ausreicht um „diese Gefühl“ nie wieder zu haben. Was passierte tatsächlich? Ich setzte mich mit dieser Erwartung noch stärker unter Druck, dass ich es alleine schaffen werde, mein Leben zu ändern. Es ging mir mit der Zeit immer schlechter.

    Es dauerte weitere Monate bis ich im August 2013 zu meinem Hausarzt ging, um mit ihm über die Möglichkeiten einer Psychotherapie zu sprechen. Ich weiß noch genau, wie schlecht es mir im Wartezimmer ging, weil ich Angst hatte, dass er mich nicht ernst nehmen würde, dass er mich wegschickt. Ich empfand es als Niederlage, es nicht alleine zu schaffen. Es war unsagbar schwer für mich, zugeben zu müssen, dass ich Hilfe brauche. Und das ist alles furchtbar! Das ist so einfach absolut falsch! Angst davor zu haben, nach Hilfe zu fragen, ist einfach nicht richtig! Ein Hausarzt/ eine Hausärztin, der seinen Patient/ seine Patientin nicht ernst nimmt, ist kein guter Hausarzt/ keine gute Hausärztin! That’s it!

    Mein Hausarzt gab mir eine Verordnung und die Telefonnummer der Zentralen Informationsbörse Psychotherapie, die darüber Auskunft geben kann, welche Praxis über freie Kapazitäten verfügt.

    Am 3. September 2013 hatte ich das Erstgespräch bei der Therapeutin, über die ich bereits hier geschrieben habe. Leider war sie als Therapeutin für mich absolut ungeeignet und ich brauchte anschließend lange Zeit, um den Mut für eine zweite Therapie zu sammeln.

    Was will ich damit eigentlich sagen? Es braucht Zeit. Ich habe 36 Jahre lang „diese Gefühle“ gehabt und es dauerte 4 Jahre und 3 Monate bis ich merkte, dass sie sich gelöst haben. Heute mit 40 Jahren weiß ich das. Mein Entschluss stand am Anfang, erst danach waren für mich Veränderungen möglich. Langsam, nach und nach.

    Auch wenn die Medien und das persönliche Umfeld suggerieren, dass eine plötzliche Heilung möglich ist, zeigt dass nicht die Realität.

  • Scheinriese

    Vor kurzem war ich auf einem Jazz-Konzert. Mich interessierte der Auftritt des Hauptacts und ich war absolut begeistert davon. Der Opener war das Tamara Lukasheva Quartett, dessen Musik auch gut war, aber mich nicht mitgerissen hat. Die Musikerin und Sängerin Tamara Lukasheva erzählte zu jedem der Lieder ihre Gedanken.

    Sie erzählte von einem Besuch in ihrer Heimatstadt Odessa. Dort steht ein Fabrikgebäude, das ,seitdem sie sich erinnert, nie in Betrieb war und weitgehend unverändert geblieben ist. Sie sagte, dass sie sich in diesem Gebäude gesucht hat, aber was sie fand, war ein anderes Ich, ein Ich aus der Vergangenheit, ein Ich, das es nicht mehr gibt.

    In dem Haus, in dem ich die ersten 12 Jahre meines Lebens aufgewachsen bin, hatte ich 20 Jahre nicht mehr gesehen. Das Haus neben der Kirche. Es gab in den letzten 20 Jahren keinen Grund dort hin zu fahren, ich habe den Ort nicht bewusst gemieden.

    Am Wochenende sind wir an diesen Ort gefahren. Auf dem Weg erklärte ich den Kindern, dass mich die Erzählung der Musikerin auf diesen Gedanken gebracht hatte.
    Ich zeigte den Kindern das Haus, zeigte auf das Fenster, das das Fenster meines Zimmers war. Ich sagte Dinge wie „Hier war das Wohnzimmer.“ und „Hier war das Elternschlafzimmer.“ und „Das Kirchengebäude sieht aus wie früher.“ und „Hier war unsere Terrasse.“ und sehr oft „Ist das alles klein.“

    Wir sind zum Spielplatz hinter dem Haus gegangen. Ich habe ihnen das Haus gezeigt, in dem mein bester Freund wohnte. Und immer wieder der Gedanke, dass das alles so klein ist.

    Meine Tochter fragte mich: „Mama, was hast du gefunden?“ Meine Antwort: „Nicht mich.“ Ich habe viele Erinnerungen gefunden und erzählte, die Geschichte mit der Blindschleiche und wie mich der Pastor dabei ertappte, wie ich die Blütenblätter der Mohnblume abgezupft hatte. Ich dachte an die Kirschbäume, auf die mein Vater geklettert war. An das Schlittenfahren.

    Es war gut, an diesen Ort zu fahren, um zu sehen, wie klein das tatsächlich alles ist.

    Lesenswert in diesem Zusammenhang ist die Geschichte vom Scheinriesen Herr Tur Tur.

  • Ein Brief an Frau B.

    Liebe Frau Grundschullehrerin,

    ich glaube, Sie wissen gar nicht, wie gut ich Sie verstehen kann. Es ist ja meine Tochter, die Sie unterrichten. Wir haben beide das gleiche Ziel: Ihre Schülerin/ meine Tochter soll mit Freude lernen. Den Weg dorthin stellen wir uns unterschiedlich vor.

    Schon bevor meine Tochter eingeschult wurde, ahnte ich, dass es mit ihr und der Schule nicht so reibungslos laufen würde. Die Erfahrungen, die ich mit meinem Sohn gesammelt hatte, waren insgesamt unerfreulich. Umso glücklicher waren wir, dass sich seine Situation nach dem Klassenwechsel deutlich entspannte. Das nur am Rande, denn grundsätzlich hatte ich die Hoffnung, dass bei meiner Tochter alles anders sein würde. Ich bin wirklich so, so gerne zur Schule gegangen (jedenfalls zur Grundschule) und ich dachte, das wäre bei meinen Kindern eben auch so. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

    Der Termin am vergangenen Mittwoch war sehr deutlich. Sie sind frustriert. Das haben wir sehr schnell verstanden. Das Thema ist wie in den letzten 10 oder mehr Gesprächen das gleiche. „Ihr Kind arbeitet nicht!“* Neu war, dass Sie fast durchgehend geredet haben. Also, geredet klingt zu nett, Sie haben sich ausgekotzt. 30 Minuten haben Sie uns erklärt, was unsere Tochter alles nicht macht, obwohl sie dazu absolut in der Lage ist. „Warum ist das so?“, fragen Sie meine Tochter, die keine Antwort darauf geben kann. Also wenden Sie sich an mich: „Was sagen Sie dazu?“ Ja, was soll ich sagen, was ich nicht schon in den letzten 10 oder mehr Gesprächen gesagt habe? So versuche ich so diplomatisch wie eben möglich zu erwidern, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass meine Tochter, gerade in dieser Situation, erklären kann, was wir uns seit mehr als zwei Jahren fragen. Meine Antwort macht Sie gar nicht glücklich. Ich vermute, Sie würden jetzt gerne in die Tischkante beißen oder schreiend aus dem Klassenzimmer rennen, aber Sie versuchen ruhig zu bleiben und antworten mir: „Sie verstehen Ihre Tochter also?“

    Ja, genau. Ich verstehe mein Kind, und wenn ich es nicht verstehe, versuche ich es, und wenn das nicht hilft, denke ich „Sie ist, wie sie ist.“ und atme. Bitte trösten Sie sich mit dem Gedanken, dass Sie nur noch zwei Jahre lang die Lehrerin meiner Tochter sind. Zwei Jahre gehen schnell vorbei. Ich bin mir sicher, Sie schaffen das! Und ich bin mir sicher, meine Tochter schafft das auch!

    Denn, wissen Sie, so lange ich lebe, für immer, bin ich die Mutter meiner Tochter. Und auch, wenn ich mir immer wieder ein „Ja!“ wünsche, wo mir meine Tochter ein „Nein!“ entgegenschmettert, wird meine Tochter so sein, wie sie ist. Es hilft kein Meckern, kein Drängen und kein Schreien. Ja, natürlich habe ich schon gemeckert, gedrängelt und geschrien und werde dies in Zukunft auch wieder tun, aber geholfen hat es nicht!

    Vielleicht werde ich Sie eines Tages treffen und wir können gemeinsam über die Grundschulzeit meiner Tochter lachen. Vielleicht laufen Sie aber auch schnell weg, wenn Sie mich sehen und denken sich, dass die 10 oder mehr Gespräche mit mir für ein ganzes Lehrerinnenleben reichen!

    Herzliche Grüße,
    Jennifer Heart

    *Sie „arbeitet“, aber nicht so, wie es sich die Lehrerin vorstellt.

  • Allein.

    „Bleib erst mal allein!“, sagt meine Freundin.

    Ich weiß, wie es sich anfühlt, alleine zu sein. Ich habe meine Kinder, ich habe Freundinnen und wenn ich mit ihnen zusammen bin, fühlt sich das gut an, aber diese Lücke in mir können sie nicht schließen.

    „Du musst erst mal lernen alleine zurechtzukommen!“, sagt meine Freundin.

    Gibt es Menschen, die mit allem, allein zurechtkommen können oder wollen? Ich will das nicht mehr. Ich habe das in den vergangenen Jahren versucht. Unsere Leben, mein Leben alleine regeln. Überhaupt den Gedanken zuzulassen, dass ich mich in meiner Ehe einsam fühle, hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Zu Beginn war der Gedanke  winzig klein, so dass ich ihn immer wieder verdrängen konnte. Aber auf Dauer hat es mich so wahnsinnig viel Kraft gekostet, so viel Kraft.

    Und jetzt bekomme ich also den Ratschlag alleine zu bleiben, erst mal lernen es alleine zu schaffen. Danke! Das ist genau das, was ich in der Vergangenheit gemacht habe, was mich hierhin führte.

    Ja, wir können darüber diskutieren, ob es gut für mich ist, mich mit diesem Mann zu treffen. Aber vorneweg: Ich will nicht bei ihm einziehen. Ich will ihn nicht heiraten. Ich will kein Kind von ihm.

    Ich will mich in der Zeit mit ihm geborgen fühlen, einfach nur ich sein und so gesehen werden. Ja, klar, so weit wie das möglich ist, wenn man sich kaum kennt.

    Ich will in seinen Armen einschlafen und mich spüren, ihn an mir spüren. Vielleicht ist das naiv. Vielleicht ist das dumm.

    Aber das ist, was ich will, was ich brauche, und das kann er mir geben. Heute. Vielleicht auch morgen. Und danach? Ich weiß es nicht.

    Ich weiß nur, dass die nächsten Schritte unendlich schwerer werden, wenn ich mich alleine fühle.

    Also lass mir meine Illusion, lass mir meinen Wunsch, mich mit ihm ganz zu füllen – nicht mehr alleine. Auch wenn du nicht einverstanden bist.

    Es ist ein gutes Gefühl, eine Freundin zu haben, die mich unterstützen will. Ich hätte nicht erwartet, wie sehr mir meine Freundinnen helfen werden und weiterhin helfen möchten, aber diese Lücke in mir können sie nicht schließen.

  • Leben!

  • Zum ersten Mal.

    „Ziehen Sie alleine um?“ fragt mich die Beamtin im Rathaus.

    Zum ersten Mal im Leben in einer öffentlichen Toilette weinen.

    Zum ersten Mal im Leben alleine wohnen.

  • Kindheitserinnerungen

    „Mama, erzähl uns etwas lustiges aus deiner Kindheit!“ rufen meine drei Kinder. Ich überlege, ich versuche mich zu erinnern, ich wühle in meinem Gedächtnis. Wo sind sie? Meine lustigen Kindheitserinnerungen? Und schließlich sind es doch immer wieder die selben Geschichten, die ich erzähle und zwar so, dass sie lustig sind.

    Ich rede nicht gerne über meine Kindheit. Es gibt sie, die guten Erinnerungen, irgendwo, aber es gibt auch die anderen. Die anderen, von denen ich nichts hören und sehen will. Ich kann mich nicht erinnern und dafür gibt es Gründe. Es wird einen Tag geben, an dem ich bereit sein werde, die Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufzugeben. Heute ist nicht dieser Tag.

    ****

    So bin ich immer wieder dankbar, wenn Momente, in denen ich mich gut gefühlt habe, in meine Erinnerung zurückkehren. Einer dieser Momente: ich beobachtete meine Mutter still und leise, wie sie Care-Pakete für unsere Verwandtschaft in der DDR packt. Mit so viel Sorgfalt hat sie diese Care-Pakete gepackt. Sie sammelte die leeren Plastikdosen des Zitronentee-Granulats, füllte Waschmittel hinein und legte die Dosen in den Karton. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es ein Land auf der Welt gibt, in dem sich jemand über Waschmittel freut. Sie verpackte es auf diese Weise, damit die Paket-Kontrolleure es nicht klauten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es ein Land gibt, in dem Paket-Kotrolleure Waschmittel klauen. Sie legte noch Kaffee dazu. Vielleicht auch Seife? Kleidung?

    Ich weiß es nicht mehr. Wenn der Karton bis auf die letzte Lücke gefüllt war, wickelte sie es in die erste Lage Packpapier. Mit großer Sorgfalt band sie das Paketband herum, meterweise. Wie ein Spinnennetz. Die zweite Lage Packpapier folgte, anschließend wieder Paketband. So viele Knoten, die sie band. Es war wie ein Ritual, bei dem sie immer das gleiche Vorgehen einhielt. Eine dritte Lage, eine vierte Lage. Wie viele Lagen es waren, kann ich nicht mehr sagen, aber ich weiß sehr genau, wie wichtig es ihr war, das fertige Paket auf diese behutsame und akkurate Weise zu packen. Vielleicht hoffte sie, dass die Kontrolleure das Paket, das sie mit so viel Mühe gepackt hatte, nicht öffnen würden.

    ****

    Diese Erinnerung kehrte zurück, als ich im Blog von Caspar C. Mierau darüber las, dass er und seine Frau unter einem Socken-Notstand „leiden“. Ich kam auf die Idee ein Care-Paket zu packen und es „in den Osten“ (nach Berlin) zu schicken. Da fiel mir meine Mutter ein. Die DDR gibt es schon lange nicht mehr. Ich bin lange kein Kind mehr.

    ****

    Vielleicht finde ich einen Weg zu meinen Erinnerungen. Vielleicht werde ich auf vorsichtige Weise jeden Knoten im Paketband lösen. Behutsam die erste Lage Packpapier entfernen. Ich werde vielleicht eine Pause machen. Durchatmen. Schauen, was vor mir liegt und vielleicht traue ich mich die zweite Lage zu entfernen. Vielleicht löst sich mit jedem Knoten, den ich öffnen werden, auch etwas in mir.

  • #MeinTagohnemich

    Auf Mareices Blog kaiserinnenreich.de habe ich von Aktion A Day Without A Woman gelesen und möchte mich daran beteiligen. Ich werde nicht streiken, möchte aber von Tagen ohne mich erzählen.

    Ich habe innerhalb von vier Jahren drei Kinder bekommen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass das mein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat. Die ersten Jahr mit Kind/ern waren eine absolute Ausnahmezeit, geprägt von ständiger Müdigkeit, Überforderung und einem stetig wachsenden Gefühl der inneren Ohnmacht.

    Durch meine Erfahrungen in meiner Ursprungsfamilie fehlten mir vor allem Vorbilder. Mit den Kindern zu leben, bedeutete für mich immer wieder innere Kämpfe auszutragen. Bin ich eine gute Mutter? Mache ich es besser als meine Eltern? Werde ich den Bedürfnissen der Kinder gerecht? Kann ich die Erwartungen von Außen erfüllen? Diese Grübeleien sind pures Gift für die Seele, sie zermürben.
    Mein Therapeut sagte zu Beginn der Therapie, dass ich eine Problemfülle mit mir trage. Er wollte das gerne zurücknehmen, aber ich fand es passend, dass er es so klar aussprach. Ich habe mir von ihm bisher keine Diagnose nennen lassen, ich bin keine Diagnose, aber es gibt viele Punkte in diesem Artikel, die mit meinem Erleben übereinstimmen.

    Bevor ich Mutter wurde, schaffte ich es gut, mein Leben zu leben. Ich hatte das Gefühl, ich hätte es unter Kontrolle. Jetzt weiß ich, dass ich ‚die Dinge‘ verdrängt habe. Mit den Kindern blieb nicht mehr die Kraft, diese Verdrängungsmechanismen aufrecht zu erhalten. Meine Fassade begann zu bröckeln.

    Und so gab es immer mehr Tage ohne mich. Ich hatte mich aufgelöst, war weg, fühlte mich nicht mehr. Statt meiner war dort ein Roboter, der so gut es ging funktionierte. Arbeiten, Organisation des Familienalltag, Elternsprechtage, Kinderarzttermine, Kindergeburtstage, Feiertage, Schulanmeldung, Haushalt etc. Ein Hamsterrad, das nicht aufhörte sich zu drehen. Ich war so überfordert, so sehr am Limit, dass ich nicht in der Lage war, meine Gefühle zu formulieren. Nach Hilfe fragen, konnte ich nicht. Und so wusste niemand von den Tagen ohne mich.

    Mein Partner merkte nichts und das schmerzt mich so sehr.

    Aus einer Vielzahl von Gründen werden überhöhte und unrealitsche Erwartungen an Mütter gestellt. Mütter sind stark. Mütter schaffen alles. An diesen Erwartungen wäre ich beinahe zerbrochen. Für immer weg. Für immer nur noch Tage ohne mich.

    Seit fast vier Jahren versuche ich meine Vergangenheit ‚aufzuarbeiten‘. Es ist ein schmerzhafter Prozess. Es braucht Zeit. Ich brauche Geduld. Seit einigen Monaten geht es bergauf. Es ist unendlich kostbar für mich, dass ich positive Veränderungen spüre, dass ich mich wieder spüre kann. Ich wünsche mir für die Zukunft immer mehr Tage mit mir, ganz nah bei mir, mit meinen Kindern, mit meinen Freundinnen.