Autor: jenniferheart

  • Es war kompliziert, es ist kompliziert und es bleibt kompliziert.

    Im letzten Jahr las ich den Beitrag „Entschuldigen Sie, ich liebe Ihren Mann!“

    auf mama-arbeitet.de und machte mir zum Thema Affären so meine Gedanken. Und in der Tat ist es ein Thema, das mich lange nicht losließ. Wahrscheinlich auch weil mama-arbeitet auch auf twitter regelmäßig über das Ende ihrer Affäre und die Zeit danach berichtete.

    Ich liebe meinen Mann. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Ich brauche ihn. In zwei Jahren werde ich die Hälfte meines Lebens mit ihm verbracht haben. Die bessere, die glücklichere Hälfte. Das bedeutet aber auch, dass er seit fast 20 Jahren der einzige Mann ist, den ich küsse, mit dem ich Sex habe, der mein Innerstes berührt. Ist die Liebe, auch die körperliche, eine exklusive Angelegenheit zwischen zwei Menschen?

    Ich bin nicht auf der Suche nach einem anderen Mann. Manchmal aber findet man Dinge. Ganz ohne jede Absicht. Im Februar 2014 lernte ich einen Mann kennen. Nicht im privaten Umfeld, eher im „beruflichen“, obwohl es das auch nicht richtig trifft. Ein durchaus interessanter Mann, der gut zuhören kann. Ich habe ihm sehr viel erzählt. Während unserer Termine habe ich geredet und geredet und geredet. Über mich, offen und ehrlich, was mir sonst schwer fällt. Im Prinzip war ich gar nicht der Anlass für diese Termine, aber ich redete fast auschließlich über mich und er hörte mir zu. Ich fühlte mich verstanden und das tat mir unglaublich gut. Aber ich versuchte mir darüber hinaus keine Gedanken zu machen. Ich hatte romantische Gefühle für ihn, aber ich verdrängte sie. Zu kompliziert.

    Vor 4 Monaten, genau zwei Jahre nach dem ersten Treffen, begegnete ich diesem Mann erneut. Und da waren sie wieder, die verdrängten Gefühle. Es ist doch ohnehin schon alles so kompliziert in meinem Leben, warum dann auch noch er? In den letzten Wochen haben wir uns mehr oder weniger regelmäßig gesehen und ich werde mir nicht eingestehen, dass ich in ihn verliebt bin.

    Ich habe drei Kinder, habe gerade eine neue Therapie begonnen, mein Studium läuft schleppend, ich habe das Gefühl, dass ich überhaupt nichts mehr auf die Reihe kriege, ich liebe meinen Mann und da brauche ich keine Schmetterlinge in meinem Bauch, die alles noch viel komplizierter machen.

    Heute war endlich der finale Termin. Ich würde ihn das letzte Mal sehen. Mein Plan war das Treffen gut über die Bühne zu bringen und ihn anschließend nie wieder zu sehen. Vorbei und (hoffentlich) schnell vergessen.

    Es war ein Spitzen-Plan! Nur leider, wie sich im Gespräch herausstellte, hat sich ein neues Problem ergeben und weitere Termine sind notwendig. Ich glaube nicht an Schicksal, Fügung oder einen Gott, aber falls da doch irgendwas ist, was die Geschicke lenkt, wäre es sehr nett, wenn das mit diesem Mann jetzt aufhören könnte. Bitte. Danke.

  • We don’t need no water…

    Vor einiger Zeit habe ich ‚Die Gewissensfrage‘ zum Thema Tagebücher gelesen und mich selbst gefragt, ob ich möchte, dass meine Kinder später meine Tagebücher lesen.
    Ich habe ca. mit 11 Jahren begonnen Tagebuch zu führen und mache dies seit fast 20 Jahren nicht mehr. Vor allen Dingen geht es um die Streitigkeiten mit meiner Freundin und um Jungs, Jungs, Jungs und Jungs. Jungs, die ich oder meine Freundin toll oder eben gar nicht toll fanden, zu denen mir aber inzwischen so gut wie jede Erinnerung fehlt. Davon abgesehen ist das alles auch sehr langweilig, weil mit wenigen Ausnahmen nie etwas besonderes passiert ist. Es handelt sich also im Großen und Ganzen um Gedanken eines sehr unsicheren und pubertierenden Mädchens, die niemand lesen sollte.
    Ich mache mir immer noch sehr, sehr viele Gedanken und bin weiterhin sehr unsicher. Ich möchte mich nicht mehr mit meinen Gedanken aus Teenagerzeiten beschäftigen und so werde ich die Bücher verbrennen. Gedanken werden zu Schall und Rauch…

  • Tagebucheinträge

    Triggerwarnung: sexueller Missbrauch

    09.06.1995

    Es gibt gewisse Dinge, die man einfach aus seinem Gedächtnis streichen möchte! Doch leider… Ebenfalls ist es vergeblich mit seinen Eltern zu reden. Mutter: „Bist du dir sicher, es nicht nur geträumt zu haben?“ Dies war ein gescheiterter Versuch vor einem Jahr.
    Und leider wird man immer wieder davon eingeholt! Warum? Es wäre viel einfacher, es zu vergessen. Es ist es nicht wert, einen Gedanken daran zu verschwenden.
    Scheiße! Es wird mein ewiger Verfolger sein. Ich habe deswegen keine Hassgefühle. Eigentlich ist es mir egal. Doch mach das meinem Verstand klar. Hört sich alles ziemlich locker an.
    Doch ist es für mich so schlimm, dass ich es noch nicht einmal aufschreiben kann!

    Tja, Jennifer, wenn du dies mal irgendwann liest, hast du es dann schon so weit verdrängt, dass du nicht weißt, was ich gerade ich hier schreibe? I hope so, irgendwie!

    13.10.1995

    Ich glaube, ich habe noch nie jemanden geliebt. Ich weiß nicht, ob ich mich liebe. Als ich ungefähr 4 oder 5 Jahre alt war, habe ich bei meinem Bruder im Zimmer übernachtet. Er war da ca. 13 Jahre. Jedenfalls hat er mich betoucht, nicht vergewaltigt, aber angefasst. Damals habe ich das auch meinen Schwestern erzählt, aber S. meinte, dass das nicht stimmen würde. Vor ungefähr 2 Jahren ist mir das wieder eingefallen/ bewusst geworden. Frag mich nicht wieso. Als ich das meinen Eltern erzählte, sagte meine Mutter, warum ich mich erst jetzt wieder daran erinnern kann, und ob ich mir sicher wäre, dass ich das nicht nur geträumt habe. Mein Vater sagte, dass Jungs in diesem Alter neugierig wären, und dass er es ja nicht mit böser Absicht getan hat. Ich denke mal, dass sie mir gar nicht geglaubt haben. Aber meine Mutter hat mich noch mit ihren schlechten Erfahrungen zu gequatscht. Ach ja, außerdem sagte mein Vater, dass mein Bruder inzwischen wahrscheinlich vergessen hat, was war. Falls er Alzheimer hat dann schon.

    Aber wie ich mich fühle, und dass ich es leider nicht vergessen habe, ist nicht so wichtig.

    05.10.1996

    Das was mein Bruder mit mir gemacht hat, hat er auch mit meiner Schwester gemacht. Na ja, er hat es wohl auch zugegeben, auch ganz nebenbei. Ich habe mich an dir vergriffen und morgen esse ich Pizza. Arschloch. Also hat er es wohl doch nicht vergessen, wie mein Vater sagte. Er war mind. 12 Jahre alt. Und so kann es auch nicht am kindlichen Interesse am anderen Geschlecht gelegen haben, wie mein Vater sagte. Mit 12 muss man nicht seine Schwestern anpacken, um Erkenntnisse zu gewinnen. Auch egal. Ich will auch gar nicht wissen, warum er es getan hat.

  • Let’s talk about sex!

    Wie war das denn damals noch? Damals, vor über 20 Jahren, als ich 17 war und das erste Mal Sex hatte.

    Meine Mutter ist mit den Themen Aufklärung und Sex relativ offen umgegangen. Was mein Vater dazu gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Ich denke es war wahrscheinlich (wie fast zu allen Themen): nichts. Ich wusste also ziemlich gut darüber Bescheid, wie Babys entstehen, und zwar bevor ich wusste, was die Blümchen und die Bienchen eigentlich so treiben.

    Meiner Mutter wurde in ihrer Kindheit erklärt, dass die Hebamme die Babys in einem Koffer mitbringt. (Irgendwie steckt in dieser Aussage ja auch ein Fünkchen Wahrheit.) Jedenfalls war es ihr wichtig, dass wir, meine Geschwister und ich, Bescheid wissen.

    Sie sagte mir, als ich ungefähr 12 war, dass Sex etwas Besonderes wäre und ich auf den Richtigen warten sollte. Denn wenn ich einmal Sex gehabt hätte, würde ich es immer wieder wollen. Das ging so in Richtung „Kein Sex vor der Ehe“, wobei meine Mutter so liberal war, ein Zugeständnis zu machen. Die Eheschließung müsste nicht zwingend abgewartet werden, aber es sollte dann bitteschön schon der zukünftige Ehepartner sein.

    Mein Bruder und meine älteste Schwester haben das tatsächlich so gemacht. Mein Bruder hat mir das auch versucht anhand eines Bildes deutlich zu machen. Eine Frau wäre wie ein Apfel. Jeder Mann, auf den sie sich einlassen würde, wäre wie ein Biss in diesen Apfel. Im schlimmsten Fall wäre von der Frau schlussendlich nur noch die Apfelkitsche übrig. (Zu dieser Aussage schreibe ich an dieser Stelle nicht mehr, da ich sonst kotzen muss.)

    Mir war ziemlich schnell klar, dass ich weder auf den zukünftigen Ehemann noch die Eheschließung warten würde. Jetzt bin ich in einer Kleinstadt aufgewachsen und selbst, wenn es jemanden gegeben hätte, der für mich in Frage gekommen wäre, hätte ich mich nicht darauf eingelassen. Weiß es einer, wissen es alles. Es war aber so, dass ich das erste Mal hinter mir haben wollte. Ich wollte es abhaken. Es sollte erledigt sein. Ich hatte keine romantischen Absichten. Es war ein Punkt auf meiner To-do-Liste. Und das vielleicht auch aus der trotzigen Haltung einer Pubertierenden heraus. Und als Opfer von sexuellem Missbrauch, das sich fragt, ob es nach diesen Erfahrungen für immer „unfickbar“ bleiben wird.

    Mit 17 lernte ich einen Mann aus der nahegelegenen Großstadt kennen. Ich war furchtbar naiv und fühlte mich doch so abgeklärt. Er wollte mich, weil ich Jungfrau war. Ich wollte ihn, um keine Jungfrau mehr zu sein. Wir haben uns ungefähr zwei Monate lang getroffen. Die meiste Zeit verbrachten wir im Bett, wobei ich glaube, dass wir trotzdem nur zwei- oder drei Mal Sex hatten.

    Ich hatte Sex gehabt und hatte es überlebt. Einfach so.

  • 12 von 12 – Dezember 2015

    Heute mache ich zum ersten Mal bei 12 von 12 mit. Die Erklärung dazu findet ihr hier. Alle Beiträge kann man sich hier anschauen.

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    1. Kaffee: Die Kinder sind wach, spielen aber in ihren Zimmern. Ich genieße den ersten Kaffee des Tages.
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    2. Blutdruck-Kontrolle: Letzte Woche hat mir mein Hausarzt pflanzliche Tropfen empfohlen, um meinen Blutdruck zu steigern. Bisher ohne Erfolg.
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    3. Weltpremiere: Ich gehe zum ersten Mal „alleine“ mit meinen Drei ins Schwimmbad. Es war ein voller Erfolg. Sehr beeindrucken konnte ich sie mit der Vorführung einer formvollendeten Arschbombe. In der Familienumkleide waren sie sich dann alle drei darüber einig, dass ich lange Brüste habe, und es ist sehr schade, dass ich jetzt nie wieder mit ihnen schwimmen gehen kann.
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    4. Pommes: Nach dem Schwimmen muss ich immer an den Pawlowschen Hund denken, denn für meine Kinder gehört zum Schwimmbad untrennbar die Pommesbude. Der Speichelfluss setzt ein sobald die Haare trocken sind.
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    5. Adventsbasteln (extern): Nach einer kurzen Pause bringe ich die beiden älteren zu einer Adventsfeier, bei der sie sehr viel Spekulatius essen und Weihnachtskarten basteln.
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    6. Als ich wieder Zuhause bin, trinke ich meinen dritten Kaffee.
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    7. Dazu esse ich selbstgebackenen Stollen (ohne Rosinen, Zitronat oder Orangeat). Sehr lecker!
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    8. Anschließend steht ein bisschen Hausarbeit auf dem Programm. So much fun!
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    9. Währenddessen repariert mein Mann den PC, indem er irgend einen Stecker zieht und wieder einsteckt. Ich bin davon sehr beeindruckt, denn ich bin vollkommen ahnungslos, was Technik betrifft.
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    10. Blutdruck-Kontrolle (2. Teil): Meinen Blutdruck lässt das alles kalt, er ist weiterhin zu niedrig.
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    11. Adventskalender: Ich lese den Kindern den 12. Abschnitt vor und um tumultartige Ausschreitungen zu vermeiden, klebe ich wie jeden Abend das dazugehörige Folienbild auf. Die Kinder mögen die Geschichte gerne, ich leide ein wenig während des Vorlesens.
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    12. Anschließend noch die zweite Abendlektüre. Als Kind habe ich die Geschichte von Rübezahl auf LP gehört, vorgelesen von Hans Paetsch mit seiner wundervollen Stimme. An den Inhalt kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern, so dass ich es nun gemeinsam mit meinen Kindern erfahre, wie Rübezahl zu seinem Namen kam.
  • Dieser Keks wird kein weicher sein!

    Ich bin so gerne in die Grundschule gegangen. Ich weiß gar nicht, was ich so toll fand, wahrscheinlich einfach alles. Deswegen kam es mir nie in den Sinn, dass das bei meinen Kindern anders sein könnte. Mein Sohn findet die Schule auch toll, aber die Lehrerin, in deren Klasse er die ersten zwei Jahre ging, fand meinen Sohn nicht „toll“. Darüber hatte ich bereits geschrieben.

    Als meine Tochter eingeschult wurde, ging ich (naiv wie ich war) davon aus, dass sie gerne in die Schule gehen würde. Das war dann nicht so. Meine Tochter sagte im ersten Schuljahr oft und gerne: „Ich will nicht in die scheiß-blöde Schule!“
    Im ersten Gespräch sagte ihre Lehrerin, die auch die Direktorin der Schule ist: „Ihre Tochter hält sich nicht gerne an Regeln. Und sonst macht sie auch nur das, was sie will.“

    Im zweiten Gespräch erklärte mir die Lehrerin, dass meine Tochter feste Regeln braucht. Sie wäre sehr eigensinnig. Im Gegensatz zur Lehrerin fasse ich das als eine Charakterstärke auf. Zum Schluss gab sie mir den Tipp: „Bleiben sie konsequent, aber ohne Druck zu machen!“ Ich werde in naher Zukunft einen Beitrag mit ihren besten Tipps und Ratschlägen verfassen. Einer besser als der andere.

    Meine Begeisterung war also riesengroß als die Klassenpflegschaftsvorsitzende uns per Mail von der „wunderschönen Tradition“ – der Lehrerin am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien selbstgebackene Plätzchen zu überreichen – informierte. Ich habe von Menschen gehört, die in der Adventszeit kiloweise Plätzchen (sogar verschiedene Sorten!!!) fabrizieren. Es soll ihnen Spaß bereiten. Ich gehöre ganz bestimmt nicht dazu!

    Zuerst wollte ich gar nicht backen, dann überlegte ich Kekse zu kaufen und zum Schluss fragte ich meine Tochter, ob sie für ihre Lehrerin Plätzchen backen möchte. Sie hat ja gesagt.

    In diesem Jahr habe ich für die Klassen-Adventsfeier meines Sohnes Spritzgebäck (als Beitrag für das Buffet) gemacht. Ich muss zugeben, dass ich das letzte Blech im (immerhin ausgeschalteten Backofen) vergessen habe, weil ich los musste. Es kann also sein, dass dieses Spritzgebäck dann so hart wurde, dass sich bei der Adventsfeier ein Mädchen einen Milchzahn daran ausgebissen hat. (Und das tut mir wirklich leid!)

    Und es kann auch sein, dass ich das übrig gebliebene Spritzgebäck in einem hübschem Glas mit einer knuddeligen Schleife meiner Tochter für ihre Lehrerin mitgeben werde.

    Das ist vielleicht kindisch, aber ich finde es trotzdem lustig.

  • Wenn die Wahrheit zu viel ist.

    Mama-arbeitet hat Liebeskummer und fragt sich, ob sie darüber mit ihren Kindern sprechen soll.

    Mein Vater hat nie über seine Gefühle gesprochen. Besser gesagt, er hat überhaupt nicht viel gesprochen. Er hat immer sehr viel gearbeitet, so dass ich ihn meist nur am Wochenende sah. Da war er aber eigentlich auch nicht da. Körperlich natürlich schon.

    Meine Mutter hatte keine leichte Kindheit. So oder so ähnlich wird man sie im Buch „Die geprügelte Generation“ wiederfinden können. Darüber hat sie mit uns geredet. Für mich war das zu viel. Es ist das eine seinem Kind zu erklären, warum das Verhältnis zu den eigenen Eltern nicht das beste ist, kindgerecht. Es ist aber etwas ganz anderes seine Kinder mit der eigenen Geschichte zu überfordern und sie somit als TherapeutInnen auszunutzen. Noch besser wird das ganze, wenn man dann versucht den Kindern ein schlechtes Gewissen einzureden, weil diese mit den Großeltern nichts zu tun haben wollen.
    Im Elternhaus meiner Mutter wurde viel geschwiegen. Tabu-Themen gab es massenweise. Meine Mutter glaubte, dass sie von einem Kuss schwanger werden kann, bis sie 16 wurde. Ich vermute, dass sie durch ihre Erfahrung zu der Überzeugung kam, dass das Gegenteil der richtige Weg wäre. Also: Offenheit. Es darf über alles gesprochen werden.

    Für uns bedeutete das aber, dass sie über alles sprechen konnte. Mich hat das komplett überfordert. Muss ich wissen, dass mein Onkel meine Tante vergewaltigt hat? Muss ich wissen, dass meine Oma dazu sagte, dass sie doch selber Schuld sei, wenn sie sich auf diese Art kleidet? Warum muss ein Kind das wissen?

    Bei mir hatte das zur Folge, dass ich mich verschlossen habe. Ich habe meiner Mutter gar nichts erzählt und das was sie erzählte, ließ ich über mich ergehen. Meine Schwester versuchte meine Mutter zu helfen, in dem sie ihr immer verständnisvoll zuhörte. Sie wurde ihre persönliche Gesprächstherapeutin, die ihr Trost spendete. Und das bis heute. Jedenfalls so lange, bis ich zur ihr den Kontakt abbrach.

    Zu meinen Eltern habe ich seit knapp zwei Jahren so gut wie keinen Kontakt. Wir schreiben uns E-Mails, um zu regeln, wann sie ihre Enkel sehen können.

    Und wie sehr ich das manchmal hasse und wie schlecht mir manchmal ist, wenn ich weiß, dass ich sie am Nachmittag sehen werde, wenn sie die Kinder abholen. Aber meine Kinder lieben ihre Großeltern und meine Eltern sind gute Großeltern. Ich werde meine Probleme nicht zu den Problemen meiner Kinder machen. Natürlich merken sie, dass etwas nicht stimmt und wenn sie eines Tages fragen, werde ich ihnen kindgerecht antworten. Und wenn sie nicht fragen, ich aber den Wunsch habe darüber zu sprechen, werde ich das mit meinem Mann, mit meiner Freundin oder einem Therapeuten tun.

    Wenn meine Kinder irgendwann stark und groß genug für meine Geschichte sind, werden sie von mir davon hören. Ich habe keine Geheimnisse vor meinen Kindern, dass darf aber niemals bedeuten, dass ich ihnen alles erzähle.

  • Abschied aus Bad Jedwede – It’s over, when it’s over!

    Heute der letzte Teil der Reihe „Briefe aus der Reha in Bad Jedwede“. Teil 1 bis 5 kann man hier nachlesen:

    1. Teil
    2. Teil
    3. Teil
    4. Teil
    5. Teil

    Von Tag zu Tag wurde meine Sehnsucht endlich nach Hause zu können größer. So bin ich dann bereits einen Tag vor dem offiziellen (vorgezogenen) Abreisedatum abgehauen, ohne Rücksprache zu halten. Frau Heart auf der Flucht! Ich habe den Zimmerschlüssel abgegeben und bin gegangen. Das ist jetzt ungefähr ein Jahr her.

    Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie befreiend es war den Bus zu besteigen und den Kurort zu verlassen! Ich war so glücklich, so erleichtert. Endlich nach Hause! Ursprünglich war ein Aufenthalt von fünf Wochen geplant, am Ende wurden es zwei Wochen und fünf Tage.
    Es muss wohl noch sehr viel Zeit vergehen, bevor ich ernsthaft darüber nachdenken werde, noch einmal für einen längeren Zeitraum alleine wegzufahren. Ich kann nicht sagen, dass es eine verlorene Zeit in der Reha war, aber bis heute fällt es mir schwer, im Guten darauf zurückzublicken.

    Erstaunlicherweise war die von mir bis dahin eher belächelte Gestaltungstherapie für mich am hilfreichsten. Es war der Austausch mit der Kunsttherapeutin und den anderen Teilnehmerinnen, die für mich ein Gewinn war. Eine Aufgabe lautete, dass wir unseren Vornamen positiv gestalten sollten. Ich habe die Buchstaben meines Namens sehr bunt ausgearbeitet. Sehr, sehr bunt! Bei der anschließenden Besprechung der einzelnen Bilder, wurde bei meinem wiederholt das Stichwort Regenbogen genannt. Die Therapeutin fragte mich, ob ich wüsste was der Regenbogen symbolisiert. Selbstverständlich kenne ich aufgrund meiner christlichen Erziehung die Geschichte der Arche Noah und dachte, dass er eine Art Entschuldigung von Gott darstellen würde. Nach einer von ihm verursachten Sintflut wäre eine Entschuldigung auch wirklich angemessen gewesen.

    Sie sagte mir, dass er Versöhnung symbolisiert. Mir wurde in diesem Moment klar, dass es für mich nie um eine Versöhnung mit meinen Eltern ging, sondern um eine Versöhnung damit, dass es keine Versöhnung geben wird. Das war eine befreiende Erkenntnis.

    Auf dem Rückweg im ICE sah ich einen Regenbogen am Himmel. Für meine Eltern wäre das sicherlich ein Zeichen Gottes gewesen. Für mich war es die Erinnerung daran, dass ich für mein Leben verantwortlich bin.

  • Vorbehalte gegen das Schulsystem #Einschulung

    Angestoßen durch die Blogparade #Einschulung von mama-notes habe ich gestern die Gedanken, die mir dazu im Kopf kreisten, aufgeschrieben.

    Ich glaube, dass das bestehende Schulsystem dem großen Teil der Kinder (und Eltern) gerecht wird. Probleme mit diesem System können entstehen, wenn Kinder nicht in ein bestimmtes Raster passen. Ein Lehrer/ eine Lehrerin, die sich um bis zu 30 Kinder kümmern muss, hat meines Erachtens schlichtweg keine Zeit, individuell auf jeden ihrer Schüler/ jede ihrer Schülerinnen einzugehen. Und das erst mal unbeachtet davon, wie sehr der Lehrer/ die Lehrerin bereit ist, sich einzubringen.

    Wir haben unseren Sohn auf einer Montessori Schule angemeldet, weil wir davon ausgingen, dass hier ein besonderer Fokus auf die individuelle Persönlichkeit des Kindes gelegt wird. Dieser Meinung bin ich grundsätzlich immer noch.

    Meine Erfahrungen zeigen, dass vieles vom Klassenlehrer/ von der Klassenlehrerin abhängig ist. Wenn der Lehrer/ die Lehrerin keinen Zugang zum Kind findet oder andersherum das Kind nicht zum Lehrer/ zur Lehrerin, hilft das schönste Schulkonzept nicht.

    Durch meine Situation während des ersten Schuljahres meines Sohnes fallen meine Erfahrungen sehr hart aus. Ich habe mich offen gesagt in das Thema Schulprobleme total hineingesteigert. Das würde mir heute nicht mehr passieren. Es gab Probleme mit seiner Lehrerin, das steht definitiv fest, aber das Ausmaß, die diese eingenommen haben, wurde durch meine Situation für mich fast ins uferlose gesteigert.

    Mein Sohn ist immer gerne zur Schule gegangen. Er hat natürlich gemerkt, dass es Widrigkeiten gab, aber sie haben für ihn kein großes Problem dargestellt.

    Im zweiten Schuljahr schlug die Klassenlehrerin vor, den schulpsychologischen Dienst einzuschalten. Wir waren einverstanden. Meine Hoffnung war, dass sie danach „locker lässt“. Der Schulpsychologe kam zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung meines Sohnes gut verläuft und es keine Anzeichen für Störungen jeglicher Art gibt. Er empfahl der Lehrerin, keinen Druck auf ihn auszuüben.

    Für mich stand zu dem Zeitpunkt fest, dass mein Sohn die Klasse wechseln wird, wenn die Lehrerin nicht aufhören würde, mein Kind zu einem Problemfall zu machen. Den Gedanken des Klassen- und auch Schulwechsels hatte ich bis dahin oft durchgedacht, aber meinen Sohn ging es gut, er fühlte sich in seiner Klasse wohl. (Davon abgesehen ist so ein Wechsel nicht ohne weiteres möglich.)

    Es war schließlich leider so, dass sie nicht locker ließ. Ich glaube, sie hatte sich ähnlich wie ich in dieses Thema verbissen und konnte einfach nicht aufhören.

    Der Klassenwechsel ergab sich dann durch organisatorische Änderungen.

    Es war für mich sehr schwer zu erleben, wie die Lehrerin ihn beurteilt hat. Vielleicht wäre ein früherer Klassenwechsel das richtige gewesen. Vielleicht sogar ein Schulwechsel. Ich weiß es nicht.

    Als meine Tochter letztes Jahr an der gleichen Schule eingeschult wurde, war ich nicht mehr so unbekümmert wie bei meinem Sohn. Und nach dem ersten Gespräch mit ihrer Lehrerin wusste ich, dass ihr Schulstart auch nicht reibungslos sein wird. Aber mir war klar, dass ich bei anhaltenden Schwierigkeiten anders handeln würde, und ich vor allen Dingen viel schneller den Kontakt zum schulpsychologischen Dienst suchen würde. Der Schulpsychologe war eine sehr große Hilfe für mich! Meine Güte, was ich ihm alles erzählt habe, aber er hatte ein offenes Ohr für mich und hat meine Sorgen ernst genommen. Das hat mir gut getan.

    Ich glaube, dass das Thema Grundschule inzwischen sehr aufgeladen ist. Es entsteht dann und wann der Anschein, als würde vom ‚Erfolg‘ des Grundschulbesuchs das ganze zukünftige Leben abhängen. (Dazu schreibe ich dann in ca. 15 Jahren einen Beitrag.)

    Für meine Kinder hat mit dem Schulstart nicht der Ernst des Lebens begonnen. Ich denke aber, dass in einem gewissen Maß der Ernst meines Elternlebens begonnen hat. Die Schule ist eine verbindliche Sache. Es gibt eine Schulpflicht, die ich zwar grundsätzlich unterstütze, aber so bleibt mir und meinen Kindern keine Wahl. Bis zum Schuleintritt konnte ich bestimmen, jetzt hat die Schule ihre Finger mit im Spiel.

  • Der Ernst des Lebens #Einschulung

    Vor 3 Jahren wurde mein Sohn eingeschult. Die Wahl der Grundschule fiel uns leicht. Wir hatten zu Beginn bereits einen Favoriten und nach dem dortigen Infoabend, war ich durch und durch vom Konzept der Schule überzeugt. Ich weiß noch ganz genau, wie froh und erleichtert ich nach dem Vortrag und dem Rundgang durch die Klassenräume war. Ja, das ist die Schule für unseren Sohn!

    Ich hatte keinen Zweifel, dass er gerne zur Schule gehen würde, er war immer ein neugieriges Kind. Ich machte mir Gedanken darüber, ob er schnell Anschluss finden würde, aber diese Gedanken vergingen schnell wieder. Es gab keinen Anlass für mich mir Sorgen zu machen und wir freuten uns auf den Tag der Einschulung.

    Nach knapp drei Monaten hatten wir den ersten Gesprächstermin mit seiner Lehrerin. – Aus meiner Sicht waren die ersten Monate gut verlaufen. Es brauchte ein wenig Zeit, bis die neuen Abläufe zur Routine wurden. Mein Sohn ging jeden Tag gerne zur Schule und er fühlte sich dort wohl. – Aber das was bei diesem Termin folgte, riss mir buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. – Ich hatte ohnehin zu dieser Zeit eine der dunkelsten Phasen meines Lebens. Ich hatte es in den vergangenen Jahren geschafft, alle Warnzeichen zu übersehen und war mit Vollgas auf dem „Highway to Burnout“ unterwegs. Aus verschiedenen Gründen.

    Wenn ich an das Gespräch denke, wird mir schlecht. Es war wie ein unerwarteter und fester Schlag in den Magen. Die Lehrerin kam direkt zum Punkt: „Ihr Sohn macht nichts. Er ist unkonzentriert und er träumt. Er arbeitet nicht und er ist viel zu langsam. Er hängt schon jetzt hinterher. Er ist einfach zu langsam. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll.“ Sie steigerte sich förmlich in ein Vorkommnis hinein, was mir für einen Erstklässler nicht ungewöhnlich erschien, aber sie sagte, dass das allen anderen Kinder nicht passiert, nur meinem Sohn. Sie schaffte es kein einziges lobendes Wort zu finden, es war alles schlecht an meinem Kind.

    Wie gesagt, ich war in dieser Zeit in einer schlechten „Verfassung“. Es gab nichts, was ich dem entgegensetzen konnte, meine Abwehr war die eines Boxers kurz vor dem K.O. und ich fühlte mich auch so: verprügelt. Nachdem Termin begann sich mein Kopfkarussel zu drehen und mehr als ein Jahr hörte es nicht mehr auf. Ich verstand es einfach nicht. Was war denn mit dem geworden, was beim Infoabend gesagt wurde? „Wir holen die Kinder dort ab, wo sie sind.“ Ja, klar, und mein Sohn stand noch an der Haltestelle und wartete?! Oder hatte die Lehrerin ihn schon nach drei Monaten aufgegeben?!

    Kurz gesagt: Die Situation wurde für mich mit jedem Gespräch schlimmer. Ich habe versucht keinen Druck auf meinen Sohn auszuüben. Ich habe versucht ihn so weit wie möglich zu schützen. Ich habe versucht meinen Sohn zu nehmen, wie er ist. Und oft bin ich verzweifelt und viel zu oft, hat er das gespürt.

    Es war für mich eine Odyssee zwischen Lehrergesprächen, Arztterminen und Beratungen mit dem Schulpsychologen. Alle waren der Meinung, dass mein Sohn ein Kind ist, ein Kind wie jedes andere. Nur für seine Lehrerin war er ein Problemkind oder vielleicht auch einfach nur ein Problem.

    Der Elternabend, an dem ich erfuhr, dass aus organisatorischen Gründen zwei neue Klassen gegründet werden müssen und das Lehrerkollegium für alle Eltern dankbar wäre, die freiwillig einem Klassenwechsel zustimmen würden, war mit Abstand der allerschönste Elternabend, den ich jemals erlebt habe. In diesem Jahr wahrscheinlich auch der allerschönste Abend überhaupt. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor Freude aufzuspringen.

    Auf dem Rückweg nach Hause habe ich vor Glück geweint. Als ich Zuhause war, habe ich dieses Video

    angeschaltet und habe begonnen zu tanzen und sehr lange nicht mehr aufgehört.

    Nach dem Klassenwechsel sind viele Dinge besser geworden. Seine Klassenlehrerin hat einen guten Blick für und auf meinen Sohn. Er könnte sehr viel mehr, wenn er nur wollte. Mein Sohn hat eine wunderbare Einstellung zu sich selbst. Ich wäre dankbar, wenn ich sie hätte. Er ist mit sich zufrieden.