Die Freundin: „Vor dem Supermarkt steht seit Jahren jeden Tag eine Frau und verkauft Obdachlosen-Zeitungen. Ich bin fast jeden Tag in diesem Supermarkt und ich muss jeden Tag an der Frau vorbeigehen. Zweimal jeden Tag. Sie spricht mich nicht an. Ich gebe ihr nie Geld. Es stört mich, dass sie dort steht. Ich will nicht, dass sie da steht. Wenn sie jeden Tag dort stehen kann, dann kann sie doch auch arbeiten gehen.“
Die Freundin: „Im Schulkiosk gibt es keine Frikadellenbrötchen mehr. Dort werden nur noch vegetarische Snacks verkauft. Verstehe mich nicht falsch. Aber für die Fleischesser muss doch auch etwas angeboten werden.“
Sind das Probleme? Zu der Zeitungsverkäuferin habe ich ihr meine Meinung gesagt. Und zwar freundlich und sachlich. Ich habe ihr nicht gesagt, dass sie sich mal Gedanken machen soll, was sie da eigentlich sagt! Zu den armen, ausgegrenzten Fleischesser*innen ist mir nichts mehr eingefallen. Ich weiß es nicht. Keine Frikadelle mehr. Mein Beileid. Schlimm. Zustände sind das. Einfach die Frikadellen streichen. Was kommt als nächstes? Keine Butter mehr auf dem Brötchen? Bei allen Problemen auf der Welt, scheint das hier ein ganz besonders schwerer Fall zu sein. Frikadellen-Gate.
Ich für meinen Teil verstehe ohnehin nicht diese Obsession. Hackfleisch. Ist es nicht eher ein Dienst an der Menschheit, Frikadellen zu streichen? Haben Sie sich schon mal damit beschäftigt, was in Hackfleisch enthalten ist? Wie das schon klingt: Hackfleisch.
Schlimmer ist nur noch Mett. Mett-Brötchen mit Zwiebeln. Bah! Kulturgut Mett und Hackfleisch. Unsere Kultur wurde auf Hackfleisch und Mett begründet. Deutsche Leitkultur. Garniert mit Zwiebeln. Ganz schlimm auch Mettigel.
In Amerika schnellt der Fleischkonsum in die Höhe. Schön lecker Steak. Toll, toll, hurra, hurra!
Was mich so alles stört. Unglaublich. Wenn ich damit jetzt anfange, wird das ein langer Text, ein Buch, ein Manifest! Oktoberfest finde ich auch doof! Oktoberfest außerhalb von München gleiche Stufe wie Mett. Den ganzen Tag stört mich was! Mein Leben ein einziges Störgeräusch. Wenn ich nur hier sitze, bin ich schon genervt. Einfach so! Obwohl ich nichts mache, nur atme. Niemand da außer mir. Stellen Sie sich mal vor, wie das ist, wenn ich rausgehe. Der Nachbar sagt: „Sei gegrüßt!“ Ich denke: „Ach, halt doch deine Fresse, du blöder Fatzke!“ und sage: „Hallo!“ und versuche zu lächeln. Und wenn ich dann im Wald bin und denke: „Wieder diese scheiß-blöde Nordic Walking Gruppe! Wie blöd sind die eigentlich?“, gehe ich einfach so weiter. Wenn mich jemand grüßt, grüße ich zurück. Toll! Wie ich das meistere! Ich bin direkt ein bisschen stolz auf mich. Meistens versuche ich Leuten im Wald aus dem Weg zu gehen, das ist im Wald gar nicht so schwer. Obwohl ich ja wirklich von niemanden angesprochen werden will, passiert mir das ziemlich häufig. Also, besser einen Bogen um Menschen machen, die wollen mir zu oft menscheln.
Letztens war ich bei einem Seminar. Da waren natürlich auch viele andere Menschen, u.a. ein Paar, bei dem ich direkt dachte: „Boah, was sind die anstrengend.“ Unglaublich anstrengend, sehr redselig, zu allen Themen hatten die was zu sagen, sehr viel zu sagen. Nee, was haben die mich genervt! Am letzten Tag haben sie dann ganz besonders genervt und ich wollte nur weg, schnell weg, Tasche greifen und zack laufe ich ihr in die Arme, sie umarmt (???) mich: „Es war so schön dich kennen zu lernen, vielleicht trifft man sich mal wieder?!“ „Nein, Beate, ganz sicher treffen wir uns nicht mehr. Geh mir aus dem Weg!“, denke ich.
Sie sollten auch stolz auf mich sein und auf meine Selbstkontrolle. Wenn ich die Dinge, die ich denke, immer aussprechen würde, nein, das möchte niemand.
Denn das, was ich denke, und das, was ich fühle, das passiert alles in mir drin. Da bin ich für verantwortlich. Dass Beate und ihr Björn mich so hart nerven, ja, da haben die zwei schon einen Anteil dran… Dass mich mein Nachbar nervt… Ich kenne den eigentlich gar nicht… Ich finde den einfach so doof. Ich will mich auch gar nicht vom Gegenteil überzeugen. Ich nerve mich auch selbst damit, dass ich so genervt bin.
Was ich eigentlich sagen will. Ich komme doch auch klar. Was soll denn das jetzt mit diesen Frikadellen eigentlich? Und warum erzählt sie das denn? Ich möchte nicht über Frikadellen sprechen.
Kommt doch alle einfach mal klar, bitte!